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Turkmenistan verfügt über die viertgrößten Gasreserven weltweit. In der Hauptstadt Aschgabat kann auch der bunte Basar nicht über die Armut der Bevölkerung hinwegtäuschen.

Foto: AP/Alexander Zemlianichenko
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Wie eine Fata Morgana aus Marmor, wie ein unwirklich wirkendes Las Vegas des Orients begrüßt Aschgabat seine Besucher. Die vierspurigen Magistralen der turkmenischen Hauptstadt sind umsäumt von schneeweißen Hochhäusern. Vor zwei Jahren bestätigte die britische Beratungsfirma Gaffney, Cline & Associates, dass Turkmenistan über die weltweit viertgrößten Gasreserven nach Russland, Iran und Katar verfügt.

Nachgewiesen sind bisher 8,6 Billionen Kubikmeter, was den österreichischen Gasbedarf für 955 Jahre decken könnte. Der damalige britische Energieminister Malcom Wicks reiste umgehend nach Aschgabat, um Ansprüche geltend zu machen. Er spricht von einer "natürlichen Kooperation": Turkmenistan brauche Kunden, die Europäische Union habe einen steigenden Bedarf.

Was für die Europäer noch Zukunftsmusik ist, ist für die Chinesen schon gemachte Sache. Kürzlich wurde eine 7700 Kilometer lange Pipeline eröffnet, die turkmenisches Gas erstmals ohne russische Transithilfe nach Peking transportiert. Eine Direkt-Röhre nach Europa, die sogenannte Nabucco-Pipeline unter wesentlicher Beteiligung der OMV, soll 2015 vollendet werden. Bis dahin will Turkmenistan auch seine jährliche Fördermenge von derzeit 75 Milliarden Kubikmetern Erdgas verdreifachen.

Die Europäer könnten leicht ins Hintertreffen geraten, warnt Alexander Cooley, Zentralasien-Experte der Columbia University. Die Chinesen seien dabei, einen zehn Milliarden Dollar schweren Fonds zu schaffen, um Infrastrukturprojekte in Zentralasien zu finanzieren, sagt Cooley: "Dagegen verblassen die Summen, die die Europäer zur Verfügung stellen können."

Folkloreabend im edlen Drehrestaurant Minarett, im Stadtzentrum von Aschgabat: Auch hier geben sich jetzt Gastouristen aus der ganzen Welt die Klinke in die Hand. Tänzerinnen mit langen, pechschwarzen Zöpfen wirbeln an den Tischen vorbei, die Musiker zupfen auf traditionellen Dutar-Geigen. Alles scheint sorgenlos und leicht. Entspricht das auch dem realen Leben in Turkmenistan? Said Nepesow, der Leiter des Folkloreensembles, reagiert verstört auf die Frage, eine Minute dauert es, ehe er sich zu einer Antwort durchringt: "Benzin, Wasser, Strom und Salz sind gratis bei uns, die Mieten sehr billig, was will man mehr?", sagt er. Es ist eine linientreue Antwort.

Ein zweiter Blick auf die Stadt draußen vor dem Theater sagt mehr als tausend Worte. Auf den Straßen bewegen sich nur wenige Menschen, aber alle hundert Meter sind Soldaten zu sehen. Die Wohnungen hinter den Märchenpalastfassaden stehen größtenteils leer, sie haben weder Wasseranschluss noch Strom, sie sind nichts als Attrappen, um die Skyline zu verschönern.

Aschgabat ist das steinerne Vermächtnis des wohl bizarrsten Despoten der jüngeren Zeitgeschichte. Turkmenbashi, das selbsternannte "Haupt aller Turkmenen", benannte ganze Monate zu seinen Ehren um und ließ überall im Land Statuen seiner selbst errichten - darunter eine, die sich stets mit der Sonne dreht, sodass nie ein Schatten auf sein präsidiales Antlitz falle. Der Personenkult, den der Despot um sich schuf, wird seit seinem Tod im Dezember 2006 von seinem Leibzahnarzt Gurbanguly Berdymukhammedov weiterbetrieben. Am Führungsstil hat sich - mit Ausnahme dessen, dass Zirkusaufführungen wieder erlaubt sind - wenig geändert.

Totale Zensur

Auch das Internet unterliegt weiter der Totalzensur in Turkmenistan: Zugang gibt es nach wie vor nur an wenigen Stellen, Passvorlage ist Pflicht, alle E-Mails werden gelesen.

Die Gasinteressenten aus dem Ausland scheint das nicht zu stören. Sie umgarnen die totalitären Machthaber mit allen Mitteln. Der deutsche Stromversorger RWE hat kürzlich eine Bibliothek in Aschgabat eingerichtet. Andere schrecken auch vor Korruption nicht zurück: Der Autobauer Daimler wurde von einem US-Gericht bestraft, weil er einem turkmenischen Regierungsmitglied zum Geburtstag eine Staatskarosse geschenkt hatte.

Der Tolkuchka-Basar ist das andere Gesicht Aschgabats: Die Wege sind matschig, die Waagen rostig. Bei den Ständen mit den Schaffellmützen findet ein Treffen mit einem Mann statt, der seinen Namen nicht nennen will. Er ist schon da, er hat Zeit ("40 Prozent der Turkmenen sind arbeitslos") und will viel loswerden.

Er erzählt von seinem Kommilitonen, der nicht aufgepasst hat - "jetzt wird er jedes Mal, wenn Feierlichkeiten anstehen, weggesperrt", vom ehemaligen Pferdeminister, der im Staatsfernsehen einen Diebstahl gestand -"ein Rivale wollte ihn loswerden, sie haben ihm gedroht, seine Familien zu foltern, wenn er nicht mitmacht".

Er erzählt von seiner alleinstehenden Tochter und den Enkelkindern, die auf ihn angewiesen sind - "heute hat die Opposition sogar Angst, vom Ausland aus zu kritisieren, weil sie um ihre Verwandten fürchtet", und davon, wie gefährlich es ist, der ausländischen Presse bei der Arbeit zu helfen: "Verhalten Sie sich unauffällig, seien Sie ganz Tourist", empfiehlt er zum Abschied. Und lächelt tapfer. (Beatrice Uerlings aus Aschgabat/DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2010)