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Junge WissenschaftlerInnen müssen in Österreich nicht nur ihr Forschungsobjekt genau betrachten - auch der Cent muss vor der Ausgabe gewendet und beleuchtet werden.

Foto: APA/Friso Gentsch

"Wenigstens bin ich krankenversichert", sagt Jasmin*, Jungwissenschaftlerin an der Universität Wien. Dass sie einen Lehrauftrag und damit die heiß begehrte Krankenversicherung bekommen hat, verdankt sie, neben ihrem Engagement und ihren Leistungen, mehreren Zufällen: Die steigende Anzahl der Studierenden hat einerseits zu einer Aufstockung der Lehraufträge geführt, andererseits liegt es an ihrer steten Präsenz am Institut.

Jasmin ist eine der rund 13.000 lehrenden Frauen an Universitäten, bezeichnet sich selbst als "Arbeitstier" und bekommt von "meinem Professor" auch hin und wieder Werkverträge vermittelt, die mit ihrem Forschungsgebiet gar nichts zu tun haben. Ihr Arbeitsplatz ist "illegal, denn eigentlich stellt die Universität Wien LektorInnen und DoktorantInnen keinen Arbeitsplatz zur Verfügung". Das heißt, dass Lehrende sowohl Arbeitsmaterial für die Studierenden als auch die dafür benötigte Infrastruktur zur Vorbereitung einer Veranstaltung selbst finanzieren müssen. Die vertragliche Lehrvereinbarung mit der Universität Wien beinhaltet zwei Stunden Arbeit pro Woche und wird für das gesamte Semester mit 2.500 Euro brutto vergütet. Tatsächlich aber, so Jasmin, braucht es für eine Lehrveranstaltung mehr als zwei Stunden Arbeit pro Woche: Für Vor- und Nachbereitung arbeitet sie im Schnitt zwei Tage pro Woche.

"Es ist bitter und bescheuert"

Durch die Anwesenheit in einem Büro der Universität Wien wird ihr zwar Infrastruktur zur Verfügung gestellt, doch diese ist nur beschränkt nutzbar. Dennoch ist dies für die Wissensarbeiterin eine Erleichterung: Nicht nur teure Computerprogramme, auch Alltagsstruktur und ein soziales Gefüge in der sonst einsamen Tätigkeit des Forschens können genutzt bzw. aufgebaut werden. Und: Sind kurzfristige Arbeiten per Werkvertrag zu vergeben, ist die Jungwissenschaftlerin präsent genug, dass sich „ihr Professor" an sie erinnert. Gratis-Arbeiten, die mit Forschung nichts zu tun haben, werden von Jasmin ebenso verrichtet. Ein Fixeinkommen, neben dem Gehalt für den Lehrauftrag, gibt es nicht.

"Ich gehe da ein großes Risiko ein", sagt Jasmin, "denn wenn mir etwas passiert, könnte ich vom Arbeitslosengeld nicht existieren". Dabei vermittelt "mir mein Professor: Forschen ist eine Passion, man soll nicht ans Geld denken". Betreibt sie da nicht arge Selbstausbeutung? "Es ist bitter und total bescheuert. Für eine Karriere an der Uni muss man bei diesen Spielchen aber mitmachen, eben auch Leuten hinterherlaufen, um Geld für die Forschung aufzutreiben", so die Wissenschaftlerin.

Ist die Lehrveranstaltung abgearbeitet, beginnt für Jasmin der wöchentliche Tanz um Forschungsgelder. Sie versucht, wie viele andere JungwissenschaftlerInnen, Geld für ihr Dissertationsvorhaben zu generieren. Dafür wurden "im letzten Semester vier, davon drei in englischer Sprache, Forschungsanträge geschrieben und eingereicht". Dieses Tätigkeitsfeld beinhaltet nicht nur die inhaltliche Aufbereitung eines Themas, sondern ist mit "sehr vielen Formularen verbunden".

Finanzieller und zeitlicher Druck

Wissenschaftlerinnen sind von ihren Denkleistungen abhängig - fix vorgegebene Arbeitszeiten, so sie eine Anstellung haben, gibt es daher nicht. Ihr Arbeitsalltag füllt sich mit Lesen, Schreiben, Dokumentieren, wobei sich das Lesen unter Zeitdruck stark reduziert. Jasmin beklagt zunehmenden finanziellen und zeitlichen Druck. Aus diesem Grund arbeitet sie beinahe jeden Tag acht Stunden. Sollte die Denkleistung nachlassen, "prügel‘ ich mich zur Leistung. Ich kann mir nicht leisten, einen Tag durchzuhängen. Du hast deinen Schwerpunkt. Du hast deine Frage und die Methode. Dann geht es darum das umzusetzen, und zwar zack-zack." Sie befürchtet, dass WissenschaftlerInnen, vor allem im sozial- und geisteswissenschaftlichen Zweig, künftig keine Zeit mehr dafür haben werden, an der Gesellschaft, die sie eigentlich untersuchen sollen und wollen, zu partizipieren.

"Eine Maschine kann Probleme nicht lösen"

Dass das Wissenschaftsministerium das Budget einfrieren will, stößt bei Jasmin auf Unverständnis. Zudem ärgert sie, dass naturwissenschaftliche und technische Fachrichtungen stärker subventioniert werden als die Sozial- und Geisteswissenschaften. "Die Probleme, vor denen wir stehen", argumentiert Jasmin, "sind gesellschaftliche. Wir haben eine Bildungskrise. Wir haben eine Wirtschaftskrise. Eine Maschine kann diese Probleme nicht lösen".

Männliche Stellenstruktur

Der von Wissenschaftsministerin Karl präsentierte Frauenanteil an den Universitäten stellt für Jasmin keine, wie Karl es nennt, "Überholspur" dar. Bei den Studierenden und auf der mittleren Ebene, so Jasmin, ist das Verhältnis noch ausgewogen, "dann aber brechen die Frauen weg". Sie zeigt sich darüber nicht verwundert, denn "die Arbeitsbedingungen an den Universitäten sind absolut kinderfeindlich. Ich habe ja kaum Zeit für meine privaten Beziehungen, wie sollte das mit einem Kind funktionieren", fragt sie sich schließlich. Ist man durch eine Schwangerschaft ein oder zwei Jahre vom Wissenschaftsbetrieb weg, "ist man weg vom Fenster. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber es sind eben nur Ausnahmen", so Jasmin. Professoren bevorzugen bei Anstellungen, laut Jasmins Ausführungen, "ihre eigene soziale Gruppe, und das sind Männer".

An die Tatsache, dass die Universität aktiv mehr Frauen in die Forschung bringen will, wird sie vor allem von Kollegen erinnert: "Von denen muss ich mir dann anhören: 'Egal wie gut ich bin, jetzt bekommen die Stellen ja Frauen, und wir kriegen nichts mehr'. Doch gerade die haben eine Stelle, ich habe sie ja nicht". Sie fühlen sich betroffen, obwohl sie gar nicht betroffen sind, sagt Jasmin abschließend - und ärgerlich: "Das sie aber in den letzten 100 Jahren ungefragt immer die Jobs bekommen haben, ist ihnen egal". (Sandra Ernst-Kaiser, dieStandard.at 05.08.2010)