Im Streit um die Neuordnung des Berliner Zeitungsmarkts liegt die Entscheidung jetzt bei Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. Der SPD-Politiker will bis Mitte Mai bekannt geben, ob der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern trotz der Einwände des Bundeskartellamtes die "Berliner Zeitung" übernehmen darf. Bei der mündlichen Anhörung am Dienstag in Berlin drohten sowohl Holtzbrinck als auch der Springer-Verlag abermals mit der Einstellung ihrer Hauptstadt-Zeitungen. Clement regte ein Gespräch der Zeitungsverlage mit Bund und Ländern an, um gemeinsam nach Lösungen aus der Krise zu suchen.

"Wir sind in keiner Richtung festgelegt

Clement ließ offen, wie er entscheiden wird. "Wir sind in keiner Richtung festgelegt", sagte der Minister in der mehr als fünfstündigen Anhörung mit den Vertretern der verschiedenen Verlage. "Dabei wissen wir alle, dass wir uns auf einem ziemlich sensiblen Feld bewegen." In der deutschen Medienlandschaft wäre es das erste Mal, dass eine Ministererlaubnis für die Übernahme einer anderen Zeitung erteilt wird.

Holtzbrinck hat die Sondergenehmigung beantragt, nachdem das Bundeskartellamt den Kauf des Berliner Verlags vom Konkurrenten Gruner + Jahr aus wettbewerbsrechtlichen Bedenken gestoppt hatte. Zu dem Verlag gehören auch die Boulevardzeitung "Berliner Kurier" sowie die Stadtillustrierte "Tip". Der Kaufpreis betrug insgesamt und 200 Millionen Euro.

"Ein sehr potenter Verlag"

Verleger Stefan von Holtzbrinck bekräftigte, dass er den Berliner "Tagesspiegel" nur dann am Leben erhalten will, wenn er auch die "Berliner Zeitung" bekommt. Trotz Auflagensteigerung schreibe das 1992 übernommene Blatt noch immer "hohe Verluste". Alle Sparmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Falls die Übernahme verboten bleibe, müsse der "Tagespiegel" eingestellt werden. Clement ließ Zweifel daran erkennen, dass er das für zwingend hält. Der Holtzbrinck-Konzern, der beispielsweise auch "Die Zeit" und das "Handelsblatt" herausgibt, sei doch "ein sehr potenter Verlag", sagte der Minister.

Auf der Grundlage des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darf die Ministererlaubnis nur erteilt werden, wenn die "gesamtwirtschaftlichen Vorteile" schwerer wiegen als die wirtschaftlichen Bedenken oder ein "überragendes Interesse der Allgemeinheit" besteht. Holtzbrinck argumentiert, dass nur bei einer Übernahme der "Berliner Zeitung" die Pressevielfalt in der Hauptstadt erhalten werden könne und dies dem Gemeinwohl diene. Die Konkurrenz weist dies entschieden zurück.

Auf den größten Widerstand stießen die Pläne beim Springer-Verlag ("Bild", "Welt"). Geschäftsführer Josef Probst warnte Clement davor, mit seiner Erlaubnis einen "irreversiblen Vorgang"" in Gang zu setzen. "Dies wäre der Todesstoß für die "Berliner Morgenpost" und die "Welt"." Der Vorstandsvorsitzende des Axel Springer Verlags, Mathias Döpfner, sagte der dpa nach der Anhörung: "Wenn die Ministererlaubnis nicht erteilt wird, wird der Verlag Axel Springer wie in den vergangenen Jahrzehnten auch in Zukunft an "Welt" und "Morgenpost" festhalten."

Abgelehnt wurde die Übernahme auch von anderen Medienunternehmen wie dem Verlag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" oder der Stadtillustrierten "Prinz" sowie dem Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Angesichts der Probleme von vielen Tageszeitungen möchte Clement Zeitungsverlage mit Bund und Ländern an einen Tisch bringen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die Lage vieler Zeitungen sei "überaus kritisch". (APA/dpa)