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Oscar Lafontaine wettert gegen des Kanzlers "uralte Ladenhüter".

Foto: REUTERS/Alexandra Winkler

Berlin/Hamburg - Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine hat dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgeworfen, die Wähler "für dumm" zu verkaufen. Lafontaine schrieb in der Bild-Zeitung, Schröder verlange von seiner Partei und der Bundestagsfraktion, bei Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Kündigungsschutz und Krankengeld "Wortbruch" zu begehen. Schröders Agenda 2010 bestehe aus "uralten Ladenhütern der Unternehmerverbände".

Exfinanzminister Lafontaine äußerte Unterstützung für die SPD-Abgeordneten, die über Schröders Reformpläne ein Mitgliederbegehren herbeiführen wollten. "Wer darauf besteht, Wahlversprechen einzuhalten, ist kein Verräter", erklärte er. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wiederholte seine Kritik an den Reformplänen.

Dagegen erklärte der SPD-Abgeordnete Rainer Wend laut Bild: "Wenn wir den Linken in der SPD folgen, verabschieden wir uns freiwillig von der Macht." Wend, der Mitglied im Fraktionsvorstand der SPD ist, sprach von "Selbstverliebtheit" der SPD-Abweichler: Sie setzten damit die Regierung aufs Spiel. Auch SPD-Generalsekretär Olaf Scholz verteidigte Schröders Kurs ebenso wie Fraktionsvize Michael Müller, der Sprecher der Parlamentarischen Linken.

Kompromiss in Sicht

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sieht offenbar die Chance für einen Kompromiss im Reformstreit innerhalb der SPD. Der Financial Times Deutschland sagte Erler am Dienstag zu dem aktuellen Streit zwischen Schröder und den SPD-Linken, der Kanzler habe seinen Kritikern bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert. "Alle wissen, dass der Erfolg der Reformen im Gesetzgebungsverfahren davon abhängt, ob sie beim Parteitag eine zähneknirschende oder überzeugte Mehrheit hinter sich haben", so Erler. Mit einer Klausurtagung der SPD-Abgeordneten und einem Treffen von Partei- und Fraktionsvorstand vor Monatsende gebe es noch "genügend Möglichkeiten, einen Diskussionsprozess zu starten", der zu Kompromissen führen könnte.

Als besonders strittig am Reformkonzept Schröders gelten die geplante Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosen-und Sozialhilfe auf niedrigem Niveau. Am 1. Juni soll ein SPD-Sonderparteitag über den Umbau der Sozialsysteme beraten. (Reuters, dpa, red/DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2003)