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Wien - Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) hat nach Ende der Kampfhandlungen im Irak bei einer Sondersitzung in Wien am Donnerstag völlig überraschend eine Erhöhung ihrer offiziellen Förderquoten beschlossen. Die tatsächliche Förderung - sie lag zuletzt nach einer vorübergehenden Aussetzung der Obergrenzen wegen des Irak-Krieges deutlich über der Quote - wird damit weniger reduziert als allgemein erwartet. Die Ölpreise sind daraufhin deutlich gefallen. Analysten sprachen von einer höchst irritierenden Entscheidung. Sie rechnen jetzt mit einem weiteren Ölpreisrückgang auf bis zu 20 Dollar je Fass.

900.000 Fass über bisheriger Obergrenze

Die OPEC-Ölminister teilten nach mehrstündigen Sitzungen mit, die tatsächliche Versorgung des Marktes werde von zuletzt geschätzten 27,4 Millionen Barrel pro Tag (bpd) auf 25,4 Millionen Barrel (ein Barrel = rund 159 Liter) reduziert. Diese Menge soll ab Juni die neue offizielle Förderquote sein. Sie liegt damit um 900.000 Fass über der bisherigen Obergrenze. Das Kartell legitimiert damit gleichsam einen Teil seiner Überproduktion. Im März hatte die OPEC vor Beginn des Irak-Krieges zusätzliche Ölexporte gebilligt, um einen Preisschock zu verhindern.

Die überraschende Erhöhung des Ölausstoßes war offenbar ein Kompromiss mit dem mit Abstand mächtigsten OPEC-Mitglied Saudi-Arabien. Der saudi-arabische Erdölminister Ali Ibrahim Naimi hatte sich in Wien zunächst für die Beibehaltung der aktuellen Fördermenge ausgesprochen, weil sein Land mit einem Barrelpreis von 25 Dollar äußerst zufrieden sei. Saudi-Arabien hatte nach Aufhebung der alten Quote den größten Teil der deutlich über zwei Millionen Barrel zusätzlicher OPEC-Förderung getragen. Nun soll Saudi Arabien seine Förderung um eine Million Barrel kürzen.

Erster Schritt

In ihrem Beschluss von Donnerstag sieht die OPEC allerdings nur einen ersten Schritt. Laut OPEC-Präsident Abdullah bin Hamad al Attijah sollen die Quoten revidiert werden, wenn der Irak seine Förderung wieder aufnehmen sollte. "Heute glauben wir, dass im Juni eine weitere Absenkung nötig sein könnte", sagte Al Attiyah. Nach den Worten des saudischen Ölministers Ali Al Naimi, der das mit Abstand wichtigste OPEC-Land vertritt, ist eine weitere Drosselung der Ölförderung beim nächsten Treffen am 11. Juni in Doha (Katar) "sehr, sehr wahrscheinlich".

Nach Bekanntgabe der OPEC-Entscheidung ist der Ölpreis am Donnerstag dennoch deutlich gefallen. In London hat Rohöl der Sorte Brent (zur Lieferung im Juni) an der International Petroleum Exchange (IPE) am Donnerstag deutlich nachgegeben und ist um 55 Cent auf 23,71 und damit unter die Unterstützung von 24 Dollar je Barrel gefallen. US-Öl verbilligte sich um mehr als ein Dollar auf 25,61 Dollar, und damit auf den tiefsten Stand seit Mitte November. Seitdem sich im Irak-Krieg ein rascher Erfolg der alliierten Truppen abzeichnete, ist der Rohölpreis um rund 30 Prozent gesunken. Vor dem Krieg mussten in der Spitze noch etwa 35 Dollar bezahlt werden.

Öl-Preis könnte weiter fallen

Broker rechnen damit, dass Brent in der kommenden Zeit noch auf rund 20 Dollar je Fass fallen kann. Die von der OPEC angedeutete Möglichkeit, dass nach dem anberaumten Treffen im Juni die Fördermengen gesenkt werden, zeige deutlich, dass man sich nicht sicher sei, ob der eben gefasste Entschluss den Markt unterstützen werde, hieß es.

"Das ist eine höchst verwirrende Entscheidung, sie sendet eine sehr verwirrende Botschaft an den Markt", kritisierte Raad Alkadiri von Washington's Petroleum Finance Corp. "Es sieht aus, als ob sie eine Rückkehr der Öl-Lieferungen aus dem Irak vor Juni ausgeschlossen haben und den Marktanteil des Irak gewissermaßen unter sich aufteilen."

Irak nicht vertreten

Beim Sondertreffen in Wien war das OPEC-Gründungsmitglieds Irak nicht vertreten. Einige Länder wie der Iran befürchten, dass die USA die irakische Ölindustrie unter Einbeziehung von US-Konzernen privatisiert und zum Verlassen der OPEC zwingen wird. Daneben gebe es die Möglichkeit, dass durch die Ankurbelung der irakischen Ölproduktion weltweit die Preise zurückgehen und damit Saudi-Arabien und Iran als die beiden wichtigsten OPEC-Länder starken finanziellen Schaden nehmen, fürchtet man im Kartell. (APA)