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Arbeitsrechtler Mazal plädiert für eine Lösung, von der "auch die Arbeitnehmer etwas haben".

foto: apa

Wien - Mitten in die hitzige Auseinandersetzung um die Reform der ersten, staatlichen Pensionssäule platzt nun die nicht minder kontroversielle Debatte um die Zukunft der zweiten, betrieblichen Pensionsvorsorge. Am Freitag endet die Begutachtungsfrist für eine Novelle des Pensionskassengesetzes, gegen die die Arbeiterkammer und eine neue "Schutzgemeinschaft von Arbeitgebern mit Pensionskassen" Sturm laufen.

Die 13 betrieblichen und sieben überbetrieblichen Pensionskassen in Österreich müssten 400 bis 500 Mio. Euro nachschießen, weil es ihnen aufgrund der Börsentalfahrt nicht gelungen ist, zumindest den gesetzlich verankerten Mindestertrag von 1,52 Prozent zu erwirtschaften. Dieser Mindestertrag schützt nicht vor Pensionskürzungen, die heuer zwischen fünf und zehn Prozent, in Einzelfällen bei bis zu 18 Prozent liegen, stellt aber ein Sicherheitsnetz dar.

Sieben statt fünf Jahre

Bisher muss der Mindestertrag im Durchschnitt der letzten fünf Jahre erwirtschaftet werden, nun soll der Beobachtungszeitraum auf sieben Jahre für Betriebspensionisten und auf die Dauer bis zum Pensionsantritt für Anwartschaftsberechtigte ausgedehnt werden. Hintergrund ist, dass den Pensionskassen damit erlaubt wird, die letzten beiden guten Aktienjahre 1998 und 1999 in ihre Kalkulation mit einzubeziehen, wodurch sie von der Nachschusspflicht enthoben wären.

Der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal kritisiert, dass "anlassbezogen an den Grundbausteinen des Systems herumgedoktert wird." Mazal sieht verfassungsrechtliche Probleme und plädiert für eine Lösung, von der "auch die Arbeitnehmer etwas haben". Denkbar sei etwa, dass den Pensionskassen und deren Eigentümern zwar diese Atempause gewährt wird, sie sich aber jetzt verpflichten, in besseren Aktienjahren Gutschriften zu gewähren.

Novelle verteidigt

Vertreter des Finanzministeriums und der Finanzmarktaufsicht verteidigten die Novelle bei einem Pensionskassen-Symposium der Unternehmensberatung Deloitte & Touche. Die drohende Nachschusspflicht würde das Eigenkapital der Pensionskassen von rund 60 Mio. Euro bei weitem übersteigen, sagte Peter Erlacher, Leiter der Rechtsabteilung im Finanzministerium. Insofern sei die Maßnahme ein Schritt zur "Systemstabilisierung". Ein anderer sei, dass aufgrund einer neuen EU-Richtlinie die Pensionskassen ihre derzeitige Eigenkapitalquote von einem Prozent des verwalteten Vermögens auf vier Prozent aufstocken müssen. Allein diese Maßnahme kostet laut Pensionskassenverband zusätzlich 240 Mio. Euro.

Anlassgesetzgebung

Das Mitleid der Unternehmen wie ABB, Austro Control, Austria Tabak, Beiersdorf, Bewag oder ÖBB mit ihren Pensionskassen hält sich dennoch in engen Grenzen. Austro- Control-Chef Christoph Baubin, einer der Sprecher der "Schutzgemeinschaft der Arbeitgeber" sprach von einer "anlassbezogenen Bilanzrettungsmaßnahme, damit die Eigentümer der Pensionskassen nicht zuschießen" müssen. Die Regierung habe sich von der "starken Lobby der Finanzwirtschaft" zu dieser Maßnahme drängen lassen, die Arbeitgeber und -nehmer belaste. Den Unternehmen müsste zumindest die Möglichkeit zu einem Ausstieg aus den Verträgen gewährt werden. So eine "schlechte Performance", wie sie die Kassen erwirtschaftet haben, "das kann ich selbst auch", so Baubin.

Der Steuerexperte der Arbeiterkammer, Otto Farny, vermutet hinter der Novelle auch Eigeninteresse des Finanzministers. Grasser wolle sich von der Staatsholding ÖIAG zur Budgetrettung eine Dividende von 300 Mio. Euro holen, Geld, das die ÖIAG nicht habe. Gleichzeitig müsste die ÖIAG, als Miteigentümerin der APK Pensionskasse, selbst Geld nachschießen, was offenbar verhindert werden (Michael Bachner, DER STANDARD Print-Ausgabe, 25.4.2003)