Vertreter der Bundesregierung predigen in Permanenz, dass das Niveau des ASVG-Pensionen nicht zu halten sei und daher die betriebliche und private Pensionssäule gestärkt werden müsse. Im vierten Jahr der Talfahrt an den Aktienmärkten kommt das große Erwachen. 400 bis 500 Millionen Euro fehlen in den Pensionskassen, die nachgeschossen werden müssten, da nicht einmal der gesetzlich festgeschriebene Mindestertrag von 1,52 Prozent erwirtschaftet werden konnte.

Das Eigenkapital aller zwanzig Pensionskassen macht gerade einmal 60 Millionen Euro aus. Die Eigentümer dieser Pensionskassen, die Unternehmen selbst oder große Banken und Versicherungen, sind also zum Finanzminister gepilgert - und flugs wird mit einem Kunstgriff die Nachschusspflicht außer Kraft gesetzt. Bisher galt ein fünfjähriger Durchrechnungszeitraum, in dem der Mindestertrag erwirtschaftet werden muss. Künftig sollen es sieben Jahre sein, damit die Pensionskassen für 2003 und 2004 die letzten gute Aktienjahre 1998 und 1999 miteinbeziehen können und sich die Rechnung wieder ausgeht. Perfekt.

Aus der Sicht der Betriebspensionisten und künftigen Leistungsbezieher ein massiver Vertrauensbruch. Steuerschonende Ausstiegsvarianten aus Betriebspensionen gibt es nicht. Die Betriebsräte können bei Aktiven mitreden, nicht aber bei Pensionisten, denen zum zweiten Mal in Folge die Renten gekürzt werden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken wegen des rückwirkenden Eingriffs werden von der Regierung einfach ignoriert.

Anlassgesetzgebung ist grundsätzlich heikel, im langfristig ausgelegten Pensionsbereich aber nichts anderes als völliges Politikversagen. Die betroffenen Arbeitnehmer werden mit dem Schlagwort "Eigenvorsorge" abgespeist. Wer sich die noch leisten kann, gehört zu den Privilegierten. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 25.4.2003)