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Ein Massai in Suswa, 50 Kilometer außerhalb von Nairobi, bei der Stimmabgabe.

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Die Kenianer haben sich mehrheitlich dafür entschieden, die neue Verfassung anzunehmen.

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Nairobi - Menschen warteten teilweise stundenlang, um am Mittwoch als erste ihre Stimme beim Verfassungsreferendum in Kenia abgeben zu können.Vuvuzelas wurden geblasen, um Wähler zu früher Stunde zu mobilisieren. Das Ja zur neuen Verfassung fiel eindeutig aus. Die soll Kenia längst überfällige Reformen bringen. Im Vorfeld gab es Ängste, doch nun sagen viele Beobachter, dass das ostafrikanische Land eine politische Reifeprüfung bestanden hat.

"Die Kenianer können sich gratulieren" , schrieb Daily Nation, die größte Tageszeitung des Landes, am Donnerstag. Die "Dämonen der Vergangenheit" seien überwunden. Am Donnerstag gab es zwar noch kein offizielles Ergebnis, aber alle Teilresultate deuten bisher auf eine klare Mehrheit von 68 Prozent für die neue Verfassung hin.

Seit bald dreißig Jahren fordern vor allem regierungsunabhängige Organisationen eine neue Verfassung. Und Präsident Mwai Kibaki erfüllt so doch noch ein Wahlversprechen aus seiner ersten Amtszeit. 2002 hatte er im Falle seiner Wahl ein neues Grundgesetz innerhalb von hundert Tagen versprochen. Davon war hinterher nichts mehr zu hören. Dabei begünstigt die seit der Unabhängigkeit im Jahr 1963 geltende Verfassung nach Meinung von Rechtsexperten die ethnischen Konflikte um Macht oder Landbesitz. Zuletzt gab es nach den Präsidentenwahlen 2007 blutige Auseinandersetzungen. Mehr als 1300 Menschen wurden damals getötet, hunderttausende flohen vor der Gewalt.

Deshalb hatten viele vor dem Referendum Bilder brennender Slums und Dörfer vor zweieinhalb Jahren vor Augen. Ein massives Polizeiaufgebot war vor allem im Rift Valley, einem der Brennpunkte der damaligen Unruhen, im Einsatz. Im Rift Valley stimmte die Mehrheit der Bevölkerung nun auch gegen die Verfassung.

Die Reformen sollen so manche Wurzel von Konflikten in dem Vielvölkerstaat mit 42 Sprachen und ethnischen Gruppen ausreißen. Mit der Einführung eines Senats wird die Macht der Regionen gestärkt. Seit der Unabhängigkeit sind es vor allem die Volksgruppen der Kikuyu - denen Präsident Mwai Kibaki angehört - und der Luo, zu denen Premierminister Raila Odinga gehört, die große Teile der politischen Klasse in Kenia stellen. Künftig ist durch die Vertretung im Senat, einer zweiten Parlamentskammer, auch ein größeres Gewicht für kleinere Volksgruppen möglich.

Mit der Festsetzung von minimalem und maximalem Landbesitz soll mehr Gerechtigkeit auf dem Land erreicht werden. Legendär ist etwa der "Thika Club" - eine Gruppe von etwa zwanzig Familienclans in Zentralkenia, die die Mehrheit des Landes besitzt und seit der Unabhängigkeit stets mindestens ein Familienmitglied in Parlament und Regierung sitzen hatte. Für den Steuerzahler besteht nach den nächsten Wahlen auch Grund zur Freude: Das Kabinett darf künftig nur noch 14 bis 22 Minister haben, die zudem keine Abgeordneten sein dürfen. Kein Vergleich zur derzeitigen Regierung mit 44 Ministern und etwa 50 Vizeministern und Staatssekretären, die den Haushalt schwer belasten. Auch die Machtbefugnisse des Präsidenten werden gestutzt, selbst ein Amtsenthebungsverfahren ist möglich.

Abtreibung legalisiert

Der Verfassungsentwurf sieht auch eine teilweise Legalisierung der Abtreibung vor. Gelingt das Reformprogramm, kann Kenia eine richtungsweisende Rolle für die ostafrikanische Region spielen, wo Wahlen etwa im Sudan und in Äthiopien von Einschüchterung und Behinderung der Opposition geprägt waren.

Die meisten Kenianer sind zuversichtlich, dass die Volksabstimmung nicht zu neuen Konflikten führt. "Zu viele Menschen haben zu viel verloren nach den Präsidentenwahlen", sagte Salima Amin, eine Wählerin in Nairobi, mit Blick auf die Unruhen von 2007. "Ich glaube nicht, dass Hass-Appelle diesmal Wirkung haben können." (dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 6.8.2010)