Mit vier Punkten aus zwei Spielen hat die Salzburger Austria einen respektablen Saisonstart hingelegt. Mit dem Aufstieg in die Erste Liga rechnet diese Saison aber niemand.

Foto: Peherstorfer

Es ist das erste Mal, dass der neu gegründete SV Austria Salzburg auf eine Red-Bull-Mannschaft trifft - für die Gäste ein heißer Tanz.

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Für wen ihr Herz schlägt, daran lassen die violetten Fans keinen Zweifel. Ernstzunehmende Zwischenfälle blieben aus.

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Salzburg - "Shuttle Stadion Salzburg" steht auf den beiden Bussen, die am Samstag kurz vor 17 Uhr am zentralen Hanuschplatz auf Kundschaft warten. In gut 90 Minuten steht der große Regionallliga-Schlager zwischen der Austria und den Amateuren von Red Bull an. Allein, das Warten lohnt sich nicht, höchstens eine Handvoll Fahrgäste verirren sich in die Busse, die zum EM-Stadion nach Kleßheim fahren. Hier wartet alles auf die Linie 27 Richtung Maxglan.

Im Bus überall violette Farbkleckse, biergeschwängerte Atmosphäre, Sprechchöre: "Eins kann uns keiner", singen auch die vielen aus Bayern angereisten Fußballfans: "Eins kann uns keiner nehmen, und das ist die Austria aus Lehen!" An einer Kreuzung wendet sich einer von ihnen besorgt an den Fahrer: "Biegst du eh nicht nach Kleßheim ab? Dir würd' ich's zutrauen!" Der lacht nur und fährt weiter zum ASKÖ-Platz, der neuerdings "MyPhone Austria Stadion" heißt.

Heißer Tanz für junge Bullen

Auf dem Parkplatz stehen Autos mit Kennzeichen aus Wien, der Steiermark und Vorarlberg - obwohl hier eigentlich ein Lokalderby ansteht. Es ist das erste seiner Art: Noch nie seit der Übernahme und Neugründung der Salzburger Austria ist die Kampfmannschaft gegen ein Red-Bull-Team angetreten. Jetzt, nach vier Aufstiegen in Serie, ist es so weit. Am zweiten Spieltag der Regionalliga West trifft der SV Austria auf die Red Bull Juniors. Entsprechend lang sind die Schlangen vor den Kassen.

Das Spiel ist für 18:30 Uhr angesetzt; dass es für das Auswärtsteam ein heißer Tanz wird, zeigt sich schon um 17:39 Uhr, als die Red-Bull-Akteure zum Aufwärmen den vom tagelangen Dauerregen arg aufgeweichten Platz betreten. Vom bereits voll besetzten Stehplatzsektor schallen ihnen böse und nicht zitable Worte als Willkomm entgegen. Nach drei Minuten ziehen die Jungbullen unverrichteter Dinge in die Kabinen ab. Als die Austria-Spieler auf den Rasen schlendern, brandet dagegen Jubel auf. Die Herren in den weiß-roten Dressen sind inzwischen unbemerkt auf das Nebenfeld ausgewichen.

"Football's Coming Home"

Während auf den Rängen "Football's Coming Home" und die Vereinshymne "Go Go Goal" für Stimmung sorgen, trottet Austria-Sportdirektor Gerhard Stöger wie vor jedem Spiel nachdenklich quer über das Feld, die Hände in den Taschen seines schwarzen Trainingsanzugs vergraben, den Blick auf den Boden gesenkt. Stöger ist dabei, seit der Verein 2006 in der untersten Spielklasse angefangen hat. Viele Spiele hat er miterlebt, aber keines, vor dem die Emotionen so hoch gingen.

Pünktlich um halb sieben geht es los: Noch bevor zweieinhalb Kilometer Luftlinie nördlich in Kleßheim die Bundesliga-Bullen den Torreigen gegen Wiener Neustadt eröffnen, gelingt den Mateschitz-Kickern in Maxglan ein Start nach Maß: Zweite Minute, eine lange Flanke von Christoph Mattes auf Martin Hinteregger, der hält den Kopf hin, 1:0. Jubel bleibt aus. Zwar stehen im eigens mit Gittern abgesperrten Auswärtssektor am Spielfeldrand etwa 50 Leute - als Red-Bull-Anhänger gibt sich aber keiner von ihnen zu erkennen.

Torjubel: europacuptauglich

Vielleicht ist es auch besser so. Es wäre nicht das erste Mal, dass es bei Spielen der neuen Salzburger Austria zu Zwischenfällen kommt - das große Stadtderby gegen den SAK in der ersten Landesliga ist allen noch in schlechter Erinnerung. Nach der 1:2-Niederlage hatten einige Austria-Anhänger den Platz gestürmt und das eigene Betreuerteam attackiert. Der Verein musste 5000 Euro Geldstrafe berappen. Seitdem gelten strenge Stadionverbote, Wachdienstmitarbeiter verstärken die Ordner, die Eintrittspreise mussten erhöht werden. Heute ist auch ein Dutzend Polizisten im Einsatz.

Auf dem Platz entwickelt sich ein temporeiches, aber ziemlich zerfahrenes Spiel mit einigen Härteeinlagen auf beiden Seiten. Schiedsrichter Thomas Hochstaffl hält sich mit Karten zurück. Die violetten Akteure versuchen mit Kampfgeist wettzumachen, was ihnen die Schützlinge der Red-Bull-Akademie athletisch voraushaben. In der 12. Minute, als der Fanblock gerade beginnt, "Ausgleich" zu fordern, werden sie mit ebenjenem belohnt. Neuzugang Marko Vujić versenkt einen strammen Schuss zum 1:1. Zumindest sein Torjubel fällt europacuptauglich aus.

"Wer nicht hüpft, der ist ein Bulle"

Für den Jubel auf den Rängen gilt das Gleiche, es heißt "Steht auf für die Austria", und spätestens bei "Wer nicht hüpft, der ist ein Bulle" hält es keinen der 1800 Besucher rund um den ausverkauften Platz mehr auf den Sitzen. In Maxglan will sich das niemand sagen lassen. Und schon in der 20. Minute gibt es den nächsten Grund zum Jubeln, Marko Vujić, früher selbst bei den Red Bull Juniors, stellt auf 2:1. Die Gäste aus Kleßheim probieren es jetzt zur Abwechslung mit langsamen Spielaufbau aus der Verteidigung, haben mehr Ballbesitz und werden dafür fast belohnt, als Marco Meilinger in der der 26. Minute einen Weitschuss an die Latte setzt.

In der 32. Minute folgt dann ein Schauspiel, das zu Austria-Spielen gehört wie die Rapid-Viertelstunde zu Hütteldorf: Fan-Veteran "Schützei" klettert, wie immer mit nacktem Oberkörper und violett-weißem Schal bewaffnet, auf das Plexiglasdach des Kabineneingangs und schmettert dem Fanblock mit rauchiger Stimme ein "Da dadada dadada dadada" entgegen. "Austria!", lautet die korrekte Antwort, "Immer wieder Austria Soizbuag!" Mit einem 2:1 gehen die Mannschaften in die Kabinen, die Red-Bull-Spieler werden mit orangen Schirmen vor drei oder vier heranfliegenden Bierbechern beschützt, die aber alle ihr Ziel deutlich verfehlen.

Jubel, Trubel, Derbysieg

In der zweiten Hälfte ist das Spiel deutlich langsamer als in der ersten, und die weißen Dressen der Gäste aus Kleßheim färben sich zunehmend unvorteilhaft braun. Neo-Austria-Obmann Walter Windischbauer, der sich konzentriert über die Bande an der Mittellinie lehnt, muss in der 53. Minute fast den Ausgleich beobachten: Alexander Aschauer hat nach einem Fehler in der violetten Verteidigung freie Bahn, schießt aber weit drüber. Die Gäste haben jetzt deutlich mehr Spielanteile, der letzte Pass will ihnen aber nicht gelingen. "Salzburg ist komplett weiß und violett", schallt es von den Rängen.

In der 88. Minute steht, klatscht und singt die gesamte Tribüne, aber Schiedsrichter Hochstaffl hat noch nicht genug vom Spiel, er wartet bis zur 95. Minute, ehe er abpfeift. Im Fansektor kennt der Jubel keine Grenzen, der Maschendrahtzaun vor dem Spielfeld wird hart geprüft, hält aber letztlich stand. Die Mannschaft macht die Welle, um die abziehenden Red-Bull-Kicker kümmert sich niemand mehr. Zumindest für einen Moment gibt es in Salzburg wirklich nur die Austria. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 08.08.2010)