Claudia Bandion-Ortner ist am Rande des Beachvolleyball-Turniers in Klagenfurt dem Ö3-"Mikromann" in das Mikrofon gelaufen. Was bei dieser Sportart "baggern" bedeute, hat er die Justizministerin gefragt, woraufhin sie etwas von "schmerzhaften Erfahrungen" sagte. Tröstlich immerhin, dass selbst Sportkapazitäten wie Hannes Kartnig oder Toni Polster nicht wirklich Klügeres zu sagen hatten.

So etwas kann einem schon einmal passieren, das Problem ist ein anderes: Wenn es am vergangenen Wochenende einen Ort gab, an dem die Justizministerin weniger verloren hatte, dann war es der Baggerplatz am Wörthersee. Zweifellos wird dort alljährlich hochklassiger Sport geboten, es sind viele ehrenwerte Menschen zugegen, auch an der ausgelassenen Stimmung ist nichts auszusetzen, und selbstverständlich muss Politik auch andere Terrains aufsuchen. Und dennoch: Mit etwas weniger Zug zur Schickeria und etwas mehr politischem Gespür hätte die Ministerin auf dem Weg nach Kärnten kehrtgemacht, spätestens dann, als die Profil-Vorausmeldungen über die angeblich von Jörg Haider in Liechtenstein gebunkerten Millionen verbreitet wurden.

Es musste Bandion-Ortner klar sein, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Leuten begegnen würde, die in diese Causa verstrickt sind. Oder die sich jedenfalls in diesem Biotop tummeln, in welchem über die Jahre offenbar allerhand Zwielichtiges prächtig gediehen ist. Zu einem solchen Milieu Distanz zu halten, ist die Pflicht einer Justizministerin.

Politik als Spektakel

Beachvolleyball am Wörthersee steht auch für die Kärntner Spaßgesellschaft, vergleichbar nur mit dem Villacher Fasching. Da wie dort wird einer unbeschwerte Leichtigkeit gefrönt, die sich mit fatalen Folgen in der österreichischen Innenpolitik ausgebreitet hat: Politik als permanentes Spektakel und als Antithese zum Herkömmlichen, Unaufgeregten, Unspektakulären. Haider hat dieses System eingeführt und perfektioniert. Er hat sich nicht nur des Tabubruchs, der persönlichen Anfeindung und der Hetze bedient, er hat Politik auf eine Ebene der Unernsthaftigkeit verlagert und so jeder seriösen Auseinandersetzung entzogen.

Symptomatisch dafür war das fröhliche Ortstafelversetzen, zu dem Haider, assistiert von seinem späteren Nachfolger Gerhard Dörfler, seinerzeit ausgerückt ist, um sich seinen Spaß mit dem Rechtsstaat zu machen. Vom Bundespräsidenten und vom Verfassungsgerichtshof abwärts hat sich die Republik jahrelang an dieser Provokation abgearbeitet - bis heute vergebens, weil eigentlich alles gar nicht politisch gemeint, sondern nur Blödelei war.

Der Kampf gegen zweisprachige Ortstafeln bediente klarerweise dumpfe Ressentiments; Zweck war aber auch die Vernebelung, die Ablenkung vom Eigentlichen, auch von den dubiosen Machenschaften, die nunmehr zuhauf ruchbar werden.

Da mögen sich die mitunter über beide Ohren im Sumpf steckenden einstigen "Buberln" , Wegbegleiter, politischen Erben und Lebensmenschen Haiders noch so sehr über die Medien empören, die Kärntner Soße stinkt gewaltig. Wobei das alles nicht sonderlich überrascht.

Darin, in der Gewöhnung an das Skandalöse, liegt zugleich die große Gefahr. Um das zu verhindern, ist die juristische und politische Aufarbeitung dieser Epoche unverzichtbar. Allen voran müsste sich die ÖVP einer restlosen Aufklärung verpflichtet fühlen. Immerhin hat sie das System Haider in Regierungsverantwortung gehievt. Ihre Motivation, jene Auswüchse der schwarz-blauen Jahre aufzurollen, ist jedoch naturgemäß gering. Sie wird sich nicht eingestehen wollen, ihren damaligen Koalitionspartner und dessen negativen Einfluss auf die politischen Sitten falsch eingeschätzt zu haben.

Umso mehr muss die SPÖ dahinter sein und die Sache vorantreiben. Dies weniger im eigenen, parteitaktischen Interesse, sondern weil der Beweis zu erbringen sein wird, dass der Rechtsstaat intakt ist. Zweifel daran sind angebracht.

Gescheitertes System

Darüber hinaus geht es vor allem um die Wiederherstellung eines öffentlichen Bewusstseins dafür, dass eben nicht alles geht, was nur frech genug ist. Es sollte sich im Lichte der aktuellen Enthüllungen die Erkenntnis breitmachen, dass hier ein System moralisch und politisch gescheitert ist. Dass Aktionismus und Klamauk, Schmäh und Krawall nicht seriöse Politik ersetzen können. Dass Demokratie mühsam ist und Redlichkeit erfordert. Dass Ernsthaftigkeit nicht unmodern ist und keinesfalls gegen den Zeitgeist verstößt. Insofern ist der krachende Niedergang des Systems Haider die Chance für einen Neustart. (Gerhard Marschall, DER STANDARD, Printausgabe, 6.8.2010)