Innsbruck/Wien - Der prominente Vorarlberger Gerichtspsychiaters Reinhard Haller muss sich vorerst den Vorwurf gefallen lassen, eines seiner Gutachten über die mögliche Freilassung eines Mörders sei ein "Kunstfehler" und er verwende "völlig veraltete" Untersuchungsmethoden. Denn das Landesgericht Innsbruck hat, nicht rechtskräftig, eine Klage Hallers gegen einen Medizinerkollegen, der ihm diese Vorwürfe in einem Zeitungsartikel gemacht hat, abgewiesen.

Wie die Austria Presse Agentur herausfand, birgt die am 21. 6. verfasste Begründung des Richters Andreas Stutter einige Brisanz. Denn der Jurist folgt in dem auch dem Standard vorliegenden 28-seitigen Urteil der Argumentation von Hallers Gegner und befand, "das international abgesicherte Persönlichkeitstests nicht zum Einsatz gekommen sind" .

Die Vorgeschichte: Ein seit 31 Jahren wegen Mordes einsitzender Mann versucht immer wieder, seine Entlassung zu erreichen. Doch die wird regelmäßig abgelehnt. Zuletzt im Mai 2009. Haller hatte dabei ein Gutachten erstellt, in dem er zum Schluss kam, der 60-Jährige sei weiter gefährlich.

Umstrittene Zeichentests

Eine entscheidende Rolle spielten dabei drei so genannte projektive Testverfahren, bei denen unter anderem aus Zeichnungen des Patienten Schlüsse gezogen werden. Doch zwei dieser Verfahren, der Baumzeichentest und der Wartegg-Zeichentest, sind umstritten.

"Es besteht dabei ein großer Interpretationsspielraum und sie sind beide nicht wiederholbar" , sagt Steffen Dauer, der Vorsitzende der Sektion Rechtspsychologie im "Berufsverband Deutscher Psychologen" auf Anfrage. Würde er bei seiner Arbeit auf die beiden Tests bauen? "Bei einer Zukunftsprognose würde ich sie nicht einsetzen. Es gibt für die diese Vorhersagen weitaus spezifischere Verfahren wie das HCR-20, das direkt zur Vorhersage von Gewalttaten dient" , meint er.Allerdings: Von einem direkten "Kunstfehler" will er ohne Hintergrundinformationen nicht sprechen. "Der Gutachter hat eine große Freiheit bei der Auswahl seiner Testverfahren. Allerdings müsste er ganz genau erklären, warum er gerade diese beiden anwendet."

Haller selbst hat in seiner aktuellen Verhandlung zunächst noch von einem "Schulenstreit" gesprochen. Um später zu behaupten, international würden seine Testmethoden nicht "komplett abgelehnt." Was Richter Stutter für "unrichtig" hält, schließlich gäbe es sehr wohl Experten, die die Tests völlig ablehnen.

Bis Redaktionsschluss war Haller für eine Stellungnahme nicht erreichbar. (Michael Möseneder, DER STANDARD - Printausgabe, 6.8.2010)