Die Brandkatastrophe bringt die russische Führung zunehmend in Bedrängnis. Die Unzufriedenheit der Dorfbewohner über das Unvermögen der Behörden, mit der Feuerwalze fertig zu werden, wächst mit jedem Tag. Im Internet machen dutzende Russen, die hilflos mitansehen mussten, wie ihre Häuser verbrannten, ihrem Ärger Luft.

So beschreibt etwa ein anonymer Blogger, der in einem Dorf in der Region Twer 153 Kilometer von Moskau entfernt wohnt, die für das heutige Russland typischen Zustände treffend: Die unter den Kommunisten angelegten drei Löschteiche seien nach dem Zerfall der Sowjetunion zugeschüttet und als Bauland umgewidmet worden. Die Löschfahrzeuge wurden verkauft und ein Notruftelefon erst gar nicht angeschlossen. Der örtliche Feuerwehrmann habe nicht mehr gehabt als Helm und Uniform. Die Feuerwehr aus Twer brauchte fünf Stunden, um zu dem brennenden Dorf zu gelangen.

Kritiker geben auch Putin Schuld an den Bränden

Die harsche Kritik des anonymen Bloggers soll Putin sogar zu einer Reaktion veranlasst haben. In einem Blog des Radiosender Echo Moskwy wurde die Antwort des Regierungschefs veröffentlicht. Putin bescheinigte dem Blogger - zynisch, wie so oft -, dass er mit seinen literarischen Fähigkeiten wie Maxim Gorki auf Capri leben könnte. Aber auch dort sei er nicht vor Bränden geschützt. Putin betonte die außergewöhnlichen Umstände der Brandkatastrophe. Eine derartige Hitzewelle sei in den letzten 140 Jahren einmalig.

Kritiker geben jedoch nicht nur den Wetterkapriolen, sondern auch Putin Schuld an den Bränden. 2006 schob Putin als Präsident eine umstrittene Waldreform an. Die Verantwortung für die Brandvorsorge ging damals von der Forstverwaltung auf die Pächter oder die lokalen Verwaltungen über. Von dem Gesetz profitierten vor allem Oligarchen wie Oleg Deripaska, der ein großes Papier- und Zellstoffkombinat am Baikal-See besitzt, sowie Immobilienentwickler, kritisierte die Kommentatorin Julia Latynina in ihrer Radiosendung.

Politologen sehen auch die von Putin installierte Machtvertikale als Hindernis für ein effektives Bekämpfen der Brandherde. Da alle Entscheidungen bei Putin zusammenlaufen, warten Gouverneure und Bürgermeister auf Anweisungen aus Moskau, ehe sie selbst Abwehrmaßnahmen greifen. (ved, DER STANDARD - Printausgabe, 6.8.2010)