Migrantenhilfe hinter dem Herd: Maryna Pohn, Mabataera Kadaehan und Hildegund Morgan (v. li.) beim interkulturellen Frauentreff der Caritas-Einrichtung Paraplü.

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Chancen von Multikulturalität will man aber vermitteln. Über Erwartungen der Stadt ist man teilweise enttäuscht.

Steyr – Doch, es gibt durchaus Probleme mit Migrantengruppen, die nur schwer erreichbar sind. Maryna Pohn ist realistisch. "Allerdings ist das nicht sehr häufig", schwächt die Mitarbeiterin des "Integrationszentrum Paraplü" der Caritas Oberösterreich in Steyr ab. Sie ist eine Ukrainerin, die vor zehn Jahren in die oberösterreichische Stadt gekommen ist. Die Aufgabe ihres Arbeitgebers: Keine Einzelfallbetreuung, sondern Kontakte zwischen In- und Ausländern herzustellen und Bewusstseinsbildung zu betreiben.

Rund 20 Frauen sind an diesem Nachmittag im Dominikanerhaus am Stadtplatz beim "Frauentreff" und essen. Tschetschenisch. Mabataera Kadaehan hat gekocht, gefüllte Teigtaschen, eine würzige Soße, Fladenbrot. Im Jahr 2003 ist die 50-Jährige mit ihrem Mann und drei Kindern nach Österreich gekommen. Hier sei es wie bei einer Familie, sagt sie. Die Frauen, die sie kennengelernt hat, haben ihr am Anfang geholfen – bei Behördengängen, Vertragsabschlüssen, der Vermittlung von Nachhilfelehrerinnen.

Vor 16 Jahren ist Paraplü im Zuge des Jugoslawienkrieges von Bürgerinnen und Bürgern als Verein gegründet, vier Jahre später von der Caritas übernommen worden. Leiterin Hildegund Morgan bemüht sich vor allem, nicht nur die "üblichen Verdächtigen" zu erreichen, was nicht ganz so einfach ist. Jene, die die größten Berührungsschwierigkeiten haben, kommen eher nicht in die Anlaufstelle.

"Wenn Österreicher ein Problem haben, erfahren wir das eher über den Gemeinderat", sagt Morgan. Denn die Vertreter der politischen Parteien mit Ausnahme der FPÖ sitzen im Beirat für Integrationsfragen, wo sich auch Vertreter der großen der insgesamt 50 Volksgruppen in der oberösterreichischen Stadt finden. "Über diese Klubs kommen wir auch mit vielen in Kontakt." Den Migranten soll auch die neue Heimat nähergebracht werden. Stadtführungen und Museumsbesuche gehören zu diesem Plan.

Doch vor allem Auftritte im öffentlichen Raum und das Integrationsfest im Museum Arbeitswelt sollen Externe ansprechen – gut 2000 Personen wurden exklusive Festbesucher im Vorjahr erreicht. Wichtiger Punkt seien auch Schulprojekte. "Dabei wollen wir aufzeigen, welche Chancen Mulitkulturalität auch bietet, etwa die Mehrsprachigkeit." Auf ein Podest heben wolle man Migranten dabei aber nicht, durch Spiele und Aktionen aber beispielsweise zeigen, wie es Flüchtlingen in Schubhaft geht.

Im Rahmen der Caritas in Österreich ist Paraplü eine minimale Kostenstelle. Die katholische Sozialorganisation setzte im Berichtsjahr 2007/08, aus dem die aktuellsten Zahlen stammen, über 483 Milliarden Euro um. Für Flüchtlings- und Integrationsarbeit werden rund 55 Millionen Euro ausgegeben. Die größten Brocken sind aber Behindertenarbeit sowie Betreuung und Pflege mit 120 beziehungsweise 183 Millionen Euro im Jahr. Der Großteil der Einnahmen stammt aus Leistungsentgelten und Subventionen; Spenden und andere Einnahmen inklusive des kirchlichen Beitrages bringen 17 Prozent in die Kassen.

In der Arbeit mit den Klienten spielt der Glaube allerdings keine Rolle, bestätigt Mabataera Kadaehan. "Sie denken nicht daran, dass sie Katholiken sind", ist sie überzeugt. "Von den Frauen, die sich hier beraten lassen, sind sicher 80 Prozent nichtkatholisch, und davon die Hälfte Muslime." Sie selbst habe aber eigentlich überhaupt keine schlechten Erfahrungen in Steyr gehabt. "Ich habe nie gehört ,Du bist Ausländerin' oder ,Du bist schlecht'." Die Menschen seien aus ihrer Sicht im Gegenteil ungemein hilfsbereit. "Die erste Lehrerin meiner Kinder hat mir auch viel geholfen. Als wir kein Geld hatten, um Zucker zu kaufen, hat sie ihn bezahlt."

Nicht restlos begeistert ist man bei Paraplü dagegen in Gelddingen über die Stadtverwaltung. "Man ist sehr froh, wenn man Aufgaben an eine Organisation wie unsere delegieren kann. Schlimm ist aber die Erwartung, dass alles kostenlos und freiwillig gemacht wird", sagt Leiterin Morgan. Die Qualifikationen der Migrantinnen, vor allem die Mehrsprachigkeit, werde zu wenig honoriert, auch im öffentlichen Dienst gebe es zu wenig davon. "Aber die Gemeindeverantwortlichen haben überall vor den Wählern Angst, wenn zu viel gefördert wird." (Michael Möseneder, DER STANDARD – Printausgabe, 6. August 2010)