Was Wolfgang Schüssel betrifft - für ihn gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung -, ist jedenfalls festzustellen, Österreich hätte sich viel erspart, hätte er in seinem Cäsarenwahn, unter Brechung eines Vorwahlversprechens unbedingt auch einmal den Bundeskanzler geben zu wollen, nicht einer Haider-Clique den Weg an die Futtertröge geebnet. Viel erspart - das gilt nicht nur in einem übertragenen Sinn, auch in einem finanziellen ist der angerichtete Schaden für die Republik beträchtlich. Das jetzige Führungspersonal der Volkspartei übt sich generell in einer asketisch anmutenden Zurückhaltung, wo es um die Finanztalente eines Karl-Heinz Grasser sowie seiner Trau- und sonstigen Kumpane geht. Das kann man irgendwie noch verstehen, schließlich wäre der Mann dort beinahe Vorsitzender geworden. Aber dass diese Republik dem politisch Hauptschuldigen an der Einpflanzung blau-oranger Privatisierungsgesinnung in eine Regierung bisher nicht einmal die kleinste Wortspende, und sei es als christliche Tröstung, wert war, müsste selbst jene bekümmern, die der "Wende" des Jahres 2000 noch immer nachtrauern.

Geschmackssicher wie gewohnt, haben die Feschaks vom Wörthersee Forderungen nach Aufklärung dubioser Vorgänge reflexartig als Hetzjagd im "Stürmer"-Stil, vergleichbar der Judenverfolgung im Dritten Reich, entlarvt (da sind sie ja Kenner), während die Justiz ein halbes Jahr brauchte, um Tagebucheintragungen über dunkle Geldflüsse als Symptome einer entfesselten Phantasie aus dem Reich der Tatsachen zu eskamotieren. Selbstverständlich unter Beihilfe des reuigen Verfassers. Der Geschäftigkeit einer Haider nachtrauernden Ex-Buberl-Partie und ihrer Trabanten steht so die Trägheit einer Justiz gegenüber, die bereits im Ausland Aufsehen erregt. Auch das eine kalkulierte Folge der Wende, denn das eine ist ohne das andere nicht möglich.

Die Worthülsen, mit denen die Justizministerin diesen Zuständen die Mauer macht, statt sie zu ändern, gehen allmählich auch jenen schwer auf die Nerven, die sich sonst eher bedächtig zu äußern pflegen. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, bescheinigt im Kurier den weisungsgebundenen Staatsanwälten mangelnden Arbeitseifer und derselben entsprechende Effizienz. Die Dauer der Verfahren sei "unerträglich". Dem Österreich-Chef von "Transparency International" und Ex-Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler reichen in News Beschwörungen der Ministerin, man möge die Justiz arbeiten lassen, nicht mehr - dazu habe sie jahrelang Zeit gehabt. "Es wäre für die Justiz höchste Zeit, jetzt einmal reinen Tisch zu machen."

Und die für ihre Widerborstigkeit nicht eben berühmte Presse stellte fest: "Die Justizministerin hat ihre Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit in diesen Causae zur Genüge bewiesen. Da wird es Zeit, dass die Regierungsspitze auf den Tisch haut." Da sich das zunächst nur auf die ÖVP beziehen kann, darf man gespannt sein, ob etwas geschieht. Schließlich hätte diese Partei an Österreich viel von dem gut zu machen, was sie vor zehn Jahren angerichtet hat. Helmut Elsner gefangen zu halten, ist da auf Dauer kein Ersatz.

(Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 6.8.2010)