Wien - Der Leiter der OECD-Arbeitsgruppe gegen Unternehmenskorruption, der Schweizer Mark Pieth, hat am Freitag scharfe Kritik an der Untätigkeit der österreichischen Justiz bei der Verfolgung von Korruptionsfällen geübt. Österreich sei so etwas wie eine "Korruptions-Oase", sagte Pieth im Ö1-Mittagsjournal. Er kritisierte insbesondere das neue Korruptions-Strafrecht, das die OECD im Oktober evaluieren will, sowie die Untätigkeit der Justiz beim Korruptionsskandal rund um das irakische "Oil for Food-Programm".

Das UNO-Programm "Oil for Food" (Öl für Lebensmittel) mit einem Volumen von insgesamt 64 Milliarden. US-Dollar (43,4 Milliarden Euro) lief von 1996 bis 2003. Es erlaubte dem damals noch von Saddam Hussein beherrschten Irak, trotz UNO-Sanktionen eine begrenzte Menge Erdöl auszuführen und im Gegenzug Lebensmittel sowie Medikamente zu importieren. Dabei soll laut einem UNO-Bericht über eine Mrd. Euro an Bestechungsgeldern an das irakische Regime geflossen sein - auch von österreichischen Unternehmen.

"Wenig Enthusiasmus, Korruption zu bekämpfen"

Ermittlungen gab es in Österreich allerdings nicht, wie Pieth bereits im Dezember des Vorjahres kritisiert hatte. Er warf der heimischen Justiz damals vor, die Einleitung von Strafverfahren unterlassen zu haben, womit die mutmaßlichen Korruptionsfälle verjähren konnten. Am Freitag legte Pieth nach und kritisierte die mangelnde Hartnäckigkeit der Justiz bei der Verfolgung von Auslandsbestechung. Österreich liege international im letzten Drittel und gehöre einer Gruppe von Staaten an, die "wenig Enthusiasmus zeigt, Korruption zu bekämpfen".

Außerdem bezweifelt Pieth, dass das neue österreichische Korruptionsstrafrecht "OECD-konform" sei. Er kritisiert Gesetzeslücken bei staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen (für diese gelten nicht die strengen Antikorruptionsregeln für Beamte, sondern die deutlich sanfteren Bestimmungen der Privatwirtschaft, Anm.). Weil Österreich eine wichtige Funktion beim Zugang vieler Firmen nach Osteuropa habe, sei das Land damit zu einer "Korruptions-Oase" geworden, kritisiert der Schweizer Wissenschafter, der als Strafrechts-Professor an der Uni Basel tätig ist. 

Justizministerium: Nicht strafbar

Das Justizministerium weist die Vorwürfe des OECD-Experten zurück. Zwar wird eingeräumt, dass die Causa mittlerweile verjährt ist. Allerdings heißt es in einer  Stellungnahme auch, dass die Tätigkeit der mutmaßlich in die Affäre verwickelten Firmen - darunter laut UNO-Bericht Branchengrößen wie Siemens und ABB - in Österreich nicht strafbar gewesen sei. Außerdem geht die Justiz davon aus, dass die Missbrauchsabsichten der irakischen Regierung den UNO-Verantwortlichen von Anfang an bekannt waren.

Die UNO hatte in einem 2005 veröffentlichten Bericht knapp 40 Unternehmen mit Sitz in Österreich genannt, die im Zusammenhang mit dem "Oil for Food"-Programm Zahlungen an die irakische Regierung geleistet haben sollen. Belege gab es demnach u.a. gegen Siemens, ABB, Böhler Schweißtechnik Austria und Veitsch-Radex. Eingestellt wurden die Ermittlungen nach Angaben des Justizministeriums allerdings nicht wegen Verjährung, sondern weil den Unternehmen strafrechtlich nichts vorzuwerfen gewesen sei.

In einer Stellungnahme heißt es, dass das Verfahren eingestellt wurde, "weil Österreich keine strafrechtlichen Bestimmungen implementiert hatte, die die Verletzung eines vom Sicherheitsrat verhängten Embargos an sich als strafbare Handlung normierte". Auch Bestechung lag nach Ansicht des Justizministeriums nicht vor - unter anderem deshalb, weil die im Zusammenhang mit dem "Oil for Food"-Programm durch den Irak "staatlich angeordnete Einhebung finanzieller Mittel" keine Bestechung einzelner Amtsträger bedeutete.

Ermittlungen gegen "unbekannte Täter"

Dies habe man im März 2008 auch mit Pieth besprochen, heißt es im Justizministerium. Pieth habe damals eingeräumt, dass sich die UN-Verantwortlichen bereits bei Aushandlung des "Oil for Food"-Programms über die Missbrauchsabsichten der irakischen Regierung im Klaren gewesen seien. Wegen des politischen Drucks auf die UNO angesichts der nach den Sanktionen gestiegenen Kindersterblichkeit im Irak habe man die Bedingungen der Regierung in Bagdad allerdings akzeptiert. Daher relativiere sich auch der Vorwurf gegen die am Programm beteiligten Firmen, heißt es in der Stellungnahme des Justizministeriums.

Bestätigt wird allerdings, dass die Causa mittlerweile verjährt ist. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richteten sich nämlich gegen "unbekannte Täter", was nach österreichischem Recht keine verjährungshemmende Wirkung entfaltet. (APA)