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24. Mai 2006: Tarek Aziz sagt als Zeuge der Verteidigung Saddam Husseins aus.

Foto: AP/Marco Di Lauro

London- Tarek Aziz, der inhaftierte frühere Vizepremier und Außenminister des von den USA gestürzten irakischen Baath-Regimes von Präsident Saddam Hussein, hat US-Präsident Barack Obama Heuchelei vorgeworfen. Die USA müssten länger im Irak bleiben und dürften sich jetzt noch nicht zurückziehen, zitierte die britische Zeitung "The Guardian" den Politiker, der 2009 zu einer 15-jährigen Haftstrafe wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verurteilt wurde.

"Ich dachte, er würde einige der von (seinem Amtsvorgänger George W.) Bush gemachten Fehler korrigieren", sagte Tarek Aziz nach Angaben des "Guardian" bei einem Interview in seiner Gefängniszelle im Irak. "Aber Obama ist ein Heuchler. Er kann uns nicht so allein lassen. Er überlässt den Irak den Wölfen." Obama hatte in seinem Wahlkampf versprochen, den Irak-Rückzug in 16 Monaten zu beginnen - also in diesem August. Wegen instabiler politischer Verhältnisse nach der Parlamentswahl Anfang März und schwerer Anschläge wurde im Mai der angekündigte Beginn des Rückzug um mindestens einen Monat verschoben. Die Truppenpräsenz soll von 92.000 auf 50.000 Soldaten verringert werden.

"Wir sind alle Opfer der USA und Großbritannien", sagte Tarek Aziz nach Angaben der Zeitung. "Sie haben das Land auf viele Arten getötet. Wenn man einen Fehler macht, muss man das korrigieren, und nicht den Irak seinem Tod überlassen." Die USA seien moralisch verpflichtet, dem Irak wieder auf die Beine zu helfen, bevor sie sich zurückzögen.

Keine Distanzierung von Saddam

Von dem 2006 hingerichteten Saddam Hussein wollte sich Tarek Aziz in dem Interview nicht distanzieren. "Wenn ich jetzt über Bedenken reden würde, würden mich die Leute einen Opportunisten nennen", wurde er zitiert. Saddam Hussein habe es vorgezogen gehabt, die Welt im Glauben darüber zu lassen, er verfüge über Massenvernichtungswaffen. Damit habe er aber keinen Konflikt mit den USA und Großbritannien herausfordern wollen, sondern sich in der Region gegen den Iran zu behaupten versucht. "Sie (die Iraner) haben acht Jahre Krieg gegen uns geführt, also hatten wir Iraker das Recht, sie abzuschrecken. Saddam war ein stolzer Mann. Er musste die Würde des Irak verteidigen (...) Nun hat der Iran ein Waffenprogramm. Alle wissen es und niemand macht irgendwas. Warum?"

Der Baath-Politiker hatte sich im April 2003 nach dem US-Einmarsch im Irak der US-Armee ergeben und war in Camp Cropper, einem Gefangenenlager der Armee nahe Bagdad, inhaftiert worden. Seine teilweise in Österreich niedergelassene Familie forderte wegen gesundheitlicher Probleme, insbesondere gravierender Herzbeschwerden und Diabetes, wiederholt die Freilassung des 1936 geborenen chaldäisch-katholischen Christen. Tarek Aziz war wiederholt im Vatikan mit dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. und dessen engsten Mitarbeitern zusammengekommen. Die letzte Audienz fand am 14. Februar 2003 statt, wenige Tage vor Beginn der US-amerikanischen Invasion. Aziz soll in Gefangenschaft mehrere Herzinfarkte erlitten haben. Sein Anwalt machte die schlechten Haftbedingungen für die Gesundheitsprobleme verantwortlich: Die US-Amerikaner hielten Aziz in einem "für Hunde reservierten Raum", den er nur selten verlassen dürfe, hatte es geheißen. (APA/apn)