Klein, aber wild: Das Gärtchen vor seiner Wohnung sieht Severin Dünser als eine sich ständig verändernde Kulisse, die er nur selten betritt - zum Beispiel fürs Foto.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Der Wiener Kunstkurator Severin Dünser mietet eine kleine Wohnung in Wien-Neubau. Als günstiger Rückzugs- und Nachdenkort ist sie ihm gerade recht, erzählte er Michael Hausenblas.

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"Ich wohne auf 35 Quadratmetern im siebten Bezirk. Dass die Wohnung im Erdgeschoß liegt, stört mich überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil! Sie befindet sich nämlich nicht vorn an der Straße, sondern im zweiten Hof eines Altbaus. Und dort, direkt vor meiner Wohnung, liegt ein circa 50 Quadratmeter großer Garten, den ich auch, aber nicht nur aus praktischen Gründen verwildern lasse.

Mir gefällt die Idee eines kleinen Urwalds mitten in der großen Stadt. Diese kleine Wildnis kann ich direkt von meinem Schreibtisch aus sehen. Ich nehme sie eher als ein sich stetig veränderndes Bild wahr denn als Lebensraum. Das Gärtchen hat für mich daher einen wesentlichen ästhetischen Wert, es ist eine Kulisse, die ich nur ab und zu auch bespiele.

Die Wohnung, in der ich jetzt seit sieben Jahren wohne, ist ziemlich klein, aber effizient eingerichtet. Außerdem ist sie günstig. Sie besteht aus einer kleinen Küche, einem Bad und einem hohen Hauptraum. In diesen habe ich eine Zwischendecke eingezogen, die über die gesamte Hälfte des Zimmers reicht. Dort oben liegt mein Schlafbereich.

Mein Zuhause ist für mich ein Ort des Rückzugs. Hier erledige ich all die Dinge, für die ich mich konzentrieren muss: Recherchen für neue Ausstellungen und Texteschreiben zum Beispiel. Das gelingt mir woanders kaum. Am ehesten im Kaffeehaus.

Man sieht sofort: Ich trenne nicht zwischen Wohnen und Arbeiten. Gerade wenn man im Kulturbereich tätig ist, können diese Bereiche kaum voneinander losgelöst werden. Ich würde sagen, das spiegelt meine Wohnung recht gut wider.

In der ersten Zeit wollte ich in der Wohnung überhaupt keine Kunst aufhängen. Ich empfinde diesbezüglich so etwas wie Scheu. Es geht um die latente Angst, die Kunst könnte sich durch permanente Präsenz abnutzen. Irgendwann habe ich dann aber doch ein Bild zu Hause aufgehängt. Dann kam noch eines dazu. Und noch eines. Von voll kann aber keine Rede sein - die meisten Arbeiten, die ich besitze, lagern verpackt im Vorraum. Was ich überhaupt nicht aushalte, sind überladene Räume. Auch Kitsch und Krimskrams sind nicht meins.

Einen Traum von einem idealen Zuhause gibt es für mich nicht. Was mir sehr gut gefällt, sind diese flachen, offenen und schachtelartigen Häuser aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, die aussehen, als würden sie aus einem Hügel herauswachsen. Ich habe allerdings noch nie in einem solchen Haus gewohnt. Hinter diesem Bild steckt vor allem eine ästhetische Idee: Bei dieser geht es um einen großen klar definierten Raum. Stark unterteilte Räume sind nicht das, wonach mir ist.

Was das Interieur einer Wohnung betrifft, muss der praktische Nutzen mit der Form übereinstimmen. Natürlich müssen die Dinge, die einen umgeben, schön sein - aber das darf nicht auf Kosten der Usability gehen.

Besondere Designerstücke kann ich mir nur dann leisten, wenn ich zum Beispiel auf einem Flohmarkt über sie stolpere. Oder sie im Dachboden finde, wie zwei Siebzigerjahresessel aus Fiberglas, die ich allerdings lediglich als Ablage benutze.

Zweckmäßig ist auch die Einrichtung der Bar unseres Kunstvereins Coco in der Wiener Innenstadt. Wir benutzen hier vor allem Bierbänke, die wir in knalligen Farben gestrichen haben. Man kann die Bänke und Tische sehr flexibel nutzen, sei es für Vorträge, Screenings oder Ausstellungseröffnungen. Mit herkömmlichen Möbeln wäre das längst nicht so einfach." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8.8.2010)