Istanbul - Ein Gericht in Istanbul hat die Haftbefehle gegen 102 mutmaßliche Verschwörer aus den Reihen des türkischen Militärs aufgehoben. Das Gericht entschied am Freitag, dass die Einsprüche der Anwälte der Verdächtigen rechtmäßig seien, wie die Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Den Verdächtigen, unter ihnen 25 amtierende Generäle und Admiräle, wird vorgeworfen, im Jahr 2003 an der Planung eines mutmaßlichen Putsches gegen die islamisch-konservativ geprägte Regierungspartei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) beteiligt gewesen zu sein. Die Haftbefehle waren am 23. Juli ausgestellt worden.

Insgesamt sind 196 mutmaßliche Beteiligte angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten nach dem Amtsantritt von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seiner religiös geprägten AKP einen gewaltsamen Umsturz geplant. Unter dem Decknamen "Operation Schmiedehammer" soll dabei unter anderem geplant worden sein, Anschläge auf Moscheen zu verüben und Spannungen mit Griechenland zu schüren, um die Türkei ins Chaos zu stürzen und einen Staatsstreich gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Nur ein Offizier in Haft

Der pensionierte Vier-Sterne-General Cetin Dogan wurde als Kopf der mutmaßlichen Verschwörer festgenommen, dann aber wegen der Gefahr eines Herzinfarkts in ein Krankenhaus gebracht. Lediglich ein Offizier befindet sich wegen des mutmaßlichen Putsches derzeit in Haft. Das Gericht urteilte am Freitag laut Anadolu, die Aufhebung der 102 Haftbefehle habe auf seinen Fall keine Auswirkungen.

Die türkische Armee versteht sich als Hüterin der laizistischen Grundordnung des Landes und stürzte in einem halben Jahrhundert bereits vier Regierungen. Gegner werfen der Regierung vor, mittels der Ermittlungen die Armee diskreditieren zu wollen. Auch Rechtsexperten und sogar Mitglieder der AKP kritisierten die Haftbefehle gegen die Angeklagten zuletzt scharf. Bereits die Aufnahme von Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Putschisten hatte die türkische Gesellschaft stark polarisiert.

Die Ermittlungen betreffen die ultranationalistische Geheimorganisation Ergenekon. Der Name der Geheimorganisation bezieht sich auf die Ergenekon-Sage, den Ursprungsmythos der türkischen Nation um ein Tal in Zentralasien. Auf der "Todesliste" der Organisation sollen unter anderen der Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk und der in Istanbul residierende Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. stehen. (APA)