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Andreas Weimann steht im Kader von Rapids Europa League-Gegner Aston Villa. Er gilt im neuen Regelwerk für die Birminghamer als "home-grown".

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Am Wochenende hat die Qualitätsflaute zwischen WM-Ende und Premier League-Start ein gnädiges Ende. Football is coming home, quasi. Am ersten Blick ist das Theater dasselbe wie jedes Jahr und überall: Trainer und Spieler wechseln wie sie lustig sind, Fans schrauben ihre Hoffnungen hoch, dass der neue Mann auf Position XY jetzt aber sicher die maßgebliche Verbesserung ist. Hinter den Kulissen ändert sich mit dem Saisonbeginn in England aber einiges an der Teamplanung. Die Liga nimmt Fehlentwicklungen der letzten Jahre ins Visier.

Wegen ausufernder Kaderbudgets, zu weniger Engländer in den Spitzenteams und eines Mangels an jungen Spielern regelt der Verband die Kader stärker. Nicht mehr als 25 Spieler dürfen im Einserteam geführt werden, wovon mindestens acht "home-grown" sein müssen. Eine ähnliche Regel gilt in UEFA-Bewerben schon seit 2008. Im Laufe der Saison dürfen in England Unter-21-jährige Spieler jederzeit aushelfen. In der zweiten Saisonhälfte, wenn Verletzungen häufiger und die Belastungen für die Profis sehr groß werden, soll das mehr Jungen zu Erstliga-Einsätzen verhelfen.

Bei so tiefgreifenden Änderungen gibt es natürlich auch Kritik. Während sich einige Trainer wohl einfach ungern ins Handwerk pfuschen lassen, und andere eine Beeinflussung der Marktpreise fürchten, dürfte vor allem für 21-jährige ein Problem auftreten. Können die sich bis zum 21. Geburtstag nur an den Rand des, nicht aber in den Kader kämpfen, stehen sie jedenfalls bis zur nächsten erlaubten Kaderänderung in einem der Transferfenster im Abseits. Falls Klubs zudem einige ihrer vielversprechendsten Jungspieler für befürchtete Engpässe zuhause behalten, statt sie zum Praxissammeln zu verleihen, wäre das ein Bärendienst an der Jugend.

Full HG oder HG ready

Der Begriff "home-grown" führt in die Irre. Der jeweilige Bub muss seine ersten Gehversuche nicht schon auf britischem Rasen unternommen haben. Spielt er in jener Saison drei oder mehr Jahre in England, in der er das 21. Lebensjahr beendet, bekommt er das HG-Gütesiegel. Arsenals spanischer Superjunge Cesc Fabregas ist damit im Sinne der Regel so englisch wie Liverpool-Urgestein Jamie Carragher. Arsene Wengers langjährige Politik, junge Talente von überall her zu scouten und zu hochkarätigen Profis zu veredeln, rentiert sich damit in einer weiteren Hinsicht.

Fabregas ist allerdings eher die Ausnahme. Von den 300 16- bis 18-jährigen Spielern die aktuell in den lizensierten Premier League-Akademien den großen Traum leben, sind immerhin 245 "echte" Engländer (etwa 82%). Beim Rest sind auch Österreicher: Philipp Prosenik unterschieb zwar kürzlich einen Profivertrag bei Chelsea, wird aber nach einer verletzungsreichen vergangenen Saison nicht zum Zug kommen. Auch für Toni Vastic heißt es bei den Blackburn Rovers erstmal in der Akademie zu Einsätzen zu kommen.

Andreas Weimann hingegen gilt als hoch im Kurs bei Aston Villa-Trainer Martin O'Neill, der allerdings am Montag seinen Rücktritt bekannt gab. Weimann steht im Kader und dürfte mit Rückennummer 42 ab und zu auf Torjagd gehen. Der Wiener ist auch HG-gestempelt: Er verbringt bereits sein drittes Jahr in Birmingham. Der einst mit ihm dorthin gewechselte Dominik Hofbauer darf davon vorerst nicht mehr träumen. Er spielt seit diesem Sommer beim FAC in der Regionalliga Ost.

Die neuen Regeln haben einigen Klubs Probleme bereitet. Allen voran den Reichsten. Manchester City hat kurz vor Saisonbeginn noch über 30 Spieler auf ihrer üppigen Gehalts- und immer noch einige zusätzliche auf der Einkaufsliste. Das wird noch zum ein oder anderen Schnäppchen für die Konkurrenz führen. Chelsea hingegen hat mit dem umgekehrten Problem zu kämpfen und bisher nur fünf Spieler, die als home-grown gelten (Wayne Bridge wird trotzdem nicht von City zu Chelsea gehen). Damit darf Carlo Ancelotti nur 22 Profis für die Saison melden, was den Abgang von Joe Cole vielleicht etwas schmerzlicher macht.

Als gelernter Österreicher neigt man zu glauben, die neuen Regeln wären aus einer Panikreaktion nach dem unschönen WM-Abschneiden der Engländer geboren. Aber sie wurden schon seit mehreren Jahren vorbereitet. So schlecht ist der englische Nachwuchs auch nicht: Die U17 gewann ihre Euro 2010. Die U19 erreichte (auch gegen Österreich) immerhin das Halbfinale der EM (im Vorjahr und 2005 sogar den zweiten Platz). Die englische U21 scheiterte 2009 ebenfalls erst im Europa-Finale. Ob die Regeln dabei geholfen haben, diese Talente in die Kampfmannschaften zu integrieren, wissen wir in einigen Jahren. (tsc, derStandard.at, 9.8.2010)