Wien - Für die Via Donau, die ehemalige Wasserstraßendirektion, ist das Projekt von größter Bedeutung: Man will vom Fluss lernen, heißt es über das Flussbauliche Gesamtprojekt (FGP), in dessen Verlauf nun ein Testlauf für weitere wasserbauliche Eingriffe im Donauabschnitt östlich von Wien unternommen wird.

Das Problem an der Sache: Alle diese Eingriffe erfolgen im Bereich des Nationalparks Donauauen - einem strengen Schutzgebiet, das nach Absage der umstrittenen Kraftwerkspläne in der Hainburger Donauau (mitsamt Aubesetzung im Winter 1984) geschaffen wurde. In einem Nationalpark sind eigentlich alle Veränderungen des naturgegebenen Zustands gesetzlich verboten.

Die Via Donau weiß sich auf der sicheren Seite - denn sie hat eine Ausnahmegenehmigung für den Versuch, bescheidmäßig erteilt von der Niederösterreichischen Landesregierung am 22. Mai 2006. Gestattet werden Eingriffe "zwischen Stromkilometer 1887,5 und 1884,5" im Bereich der Gemeinde Bad Deutsch Altenburg.

"Gesetzeswidrig"

Im Bescheidtext heißt es wörtlich: "Das Ausmaß der Eingriffe ist derzeit schwer abschätzbar. Ebenso die tatsächliche Auswirkung." Das alarmiert Umweltschützer und Juristen. Der ehemalige niederösterreichische Umweltanwalt Bernhard Raschauer, Professor am Insititut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Wien, widerspricht der Rechtsmeinung seiner Nachfolger in der Umweltanwaltschaft: "Zusammenfassend komme ich zu der Beurteilung, dass die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nicht dem Gesetz entspricht."

Die geplanten Rodungen von Nationalparkwald und die Umgestaltung von Flusssohle und Flussufer zielten nämlich nicht überwiegend "auf die Vermehrung menschlichen Wissens" (was eine Forschungserlaubnis rechtfertigen könnte), sondern auf die Vorbereitung eines großen Bauvorhabens.

Uferrückbau, Uferabsenkung

Das stellt auch die Via Donau nicht in Abrede. Wenn es nach ihr geht, dann wird bald das gesamte Donaubett umgestaltet, um größeren Schiffen möglichst ganzjährig das Befahren der Wasserstraße zu ermöglichen: "Mit dem Pilotprojekt sollen jene flussbaulichen Maßnahmen getestet werden, die für das FGP vorgesehen sind. In der in etwa drei km langen Projektstrecke werden erstmals alle Maßnahmen gemeinsam umgesetzt - Uferrückbau und Uferabsenkung, Anbindung von Nebenarmen, Optimierung der Niederwasserregulierung und die granulometrische Sohlverbesserung zur Stabilisierung der Stromsohle."

Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbands (UWD) hat den Eindruck, dass der strenge Naturschutz scheibchenweise unterwandert werden soll: Weil es eine knapp unter drei Kilometer lange Fließstrecke betrifft, fiel das Projekt nicht unter die Bestimmungen der Umweltverträglichkeitsprüfung - und auch die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der EU wurde unterlaufen.

Deswegen hat der UWD ein Verfahren bei der EU wegen Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts angestrengt.

Und er macht im Inland mobil. Immerhin sei der geplante Versuch der größte Eingriff in den Strom und die unter Schutz stehende Au seit ihrer Besetzung im Jahr 1984. Damals war es um ein Kraftwerksprojekt gegangen, bei dem die (schon damals unter internationalen Schutz gestellte) Aulandschaft unter einem Stausee verschwunden wäre.

Nun soll in die sensible Ökologie des Flusses eingegriffen werden - und zwar mit einem Argument, das auch in der ersten Hälfte der Achtzigerjahre zu hören war: Um die Donau als Wasserstraße nutzen zu können, müsse man die Fahrrinne entsprechend ausbauen. Im Vorjahr wurden auf der Donau rund neun Millionen Tonnen an Gütern transportiert - ein Minus von 17 Prozent gegenüber dem ersten Krisenjahr 2008. (Conrad Seidl, DER STANDARD Printausgabe, 9.8.2010)