Die Brücke wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut.

Foto: Manfred Lukas

Das Motel "Kriva Ćuprija".

Foto: Manfred Lukas

Wie ein Bogen spannt sich die Brücke über die Neretva.

Foto: Manfred Lukas

Der Muezzin ruft zum Nachmittagsgebet. Über Mostar liegt brütende Hitze. Nur das türkise Wasser der Neretva, das tief unter der Stari Most hindurchfließt, verspricht Abkühlung. Im Cafe vor der Brücke sitzen vier junge Männer, braungebrannt in Badehosen. Die Brückenspringer wissen, dass sie um diese Tageszeit kaum Geld verdienen werden. Die meisten Touristen haben sich in ihre klimatisierten Appartements verkrochen.

Mostar ist die Hauptstadt des Kantons Herzegowina-Neretva. Die Alte Brücke, das Wahrzeichen Mostars, wurde im Jugoslawien-Krieg 1993 zerschossen. Die Frontlinie teilte die Stadt in zwei Hälften: Die Kroaten im Westteil der Stadt kämpften für den Anschluss der Westherzegowina an Kroatien, die Bosniaken im Ostteil Mostars, für ein unabhängiges Bosnien-Herzegowina.
Nach dem Krieg wurden die Brücke und die meisten zerstörten Häuser der Altstadt mit Hilfe der UNESCO wieder aufgebaut.

"The door is open for everyone"
Es sei kein Problem für Nicht-Muslime eine der Moscheen in Mostar zu betreten, sagt Adi, der Chefkellner des Motels "Kriva Ćuprija". Besonders sehenswert sei die Karadjoz-Beg-Moschee im östlichen Teil der Altstadt.
Die Moschee in der Braće Fejića steht dort seit 453 Jahren. Neben dem Kuppeldach ragt das spitze Minarett in den wolkenlosen Himmel hoch. Arkaden säumen die schattige Vorhalle der Moschee.
Izudin Mezit ist einer der zwei Imame der Moschee. Der 26jährige lebte während des Krieges in Deutschland. Nach dem Krieg ist er nach Mostar zurück gekehrt und hat hier geheiratet.

Wie Mezit spricht auch sein älterer Kollege, der Marlboro raucht, Deutsch. Auf einem Tisch sind englischsprachige DVDs mit dem Titel "War in Mostar" ausgestellt.
Izudin Mezit gibt gerne Auskunft über den Islam. Sogar arte wäre schon hier gewesen: "Im kommunistischen Jugoslawien sah der Staat es nicht gerne, wenn die Menschen ihre Religion in der Öffentlichkeit lebten. Wollte man eine gute Anstellung beim Staat, konnte das ein Hindernis sein. Der Geheimdienst überwachte Kirchen und Moscheen. Man konnte wegen seinem Glauben den Job verlieren."

"Jeder kann seinen Glauben offen leben"
Am Weg zur Stari Most kommen wir an weiteren Moscheen vorbei. Der Imam Mezit erinnert sich an die Erzählungen des Mufti Seid Smajkić: "Als der Mufti von Mostar vor 40 Jahren in die Stadt kam, war nur eine Moschee geöffnet, in der zweimal am Tag gebetet wurde. Heute wird in allen Moscheen von Mostar regelmäßig gebetet. Mehr Frauen als noch vor dem Krieg tragen heute ein Kopftuch, jeder kann seinen Glauben offen leben."

In der mit Rundsteinen gepflasterten Gasse reihen sich Cafes, Restaurants und kleine Läden aneinander. Junge Frauen verkaufen kupferne Gießkannen, gemalte Bilder von Mostar in Postkartenformat, bosnische Kelims und andere Souvenirs für Touristen. "Don't forget `93", steht mit schwarzer Farbe auf einen Stein geschrieben. Davor, im Schatten der Hausmauer, liegt eine Katze. Aus halb geöffneten Augen blickt sie gelangweilt den Touristen hinterher.

"Unter Tito haben wir Muslime den Status von ethnischen Muslimen erhalten", der Imam schüttelt den Kopf, "So ein Unsinn. Wir sind Bosnier mit muslimischen Glauben, aber keine eigene Ethnie. Die Leute erzählen, dass Tito den Muslimen diesen Status verliehen hat, um bei Verhandlungen mit Saudi Arabien um Erdöl zu punkten."

Kopfüber aus 21 Metern Höhe in die kalte Neretva
In einem schmalen Bogen spannt sich die Stari Most über die Neretva und verbindet die beiden Teile der Altstadt von Mostar miteinander.
Entlang des Geländers der Brücke drängen sich nun die Touristen. Am höchsten Punkt der Brücke steht ein junger Mann in Badehose. 21 Meter tiefer das Wasser der Neretva, das dort unten kleine Wirbel bildet.
Der Mann macht sich zum Sprung von der Brücke bereit, unzählige Fotoapparate sind auf ihn gerichtet. Dann aber klettert er wieder über das Geländer und gesellt sich zu seinen Freunden am anderen Ende der Brücke - zu wenig Geld wurde ihm geboten. Für einen Sprung in die eiskalte Neretva erwartet er sich mehr.

"Mittlerweile kommen wieder viele Touristen nach Mostar. Vor allem Kroatien-Urlauber machen gerne Ausflüge hier her. Allerdings sind es nicht mehr so viele wie vor dem Krieg."
In der Einkaufsstraße Onešćukova stolpern Frauen mit zu hohen Absätzen über das Rundsteinpflaster. Männer in nass geschwitzten Hemden halten ihre Kameras schussbereit.

Das Kreuz von Mostar
Gegen 22:00 schließen die Läden in der Altstadt. In den Cafes und Bars wird Sarajevsko-Bier ausgeschenkt. Aus der Stari Grad Bar dröhnt laute Musik: "Girl I wanna make you sweat".

Am Nachthimmel leuchtet ein riesiges weißes Kreuz. Der Hügel auf dem es steht, liegt völlig im Dunklen, so dass das Kreuz zu schweben scheint.

Dort, im Westteil von Mostar, leben vorwiegend Kroaten. Hier im Ostteil die Bosniaken. Izudin Mezit ist zuversichtlich, dass es langsam besser wird: "Bis vor kurzem gab es in Mostar zwei Busbahnhöfe. Einen für die Bosniaken und einen für die Kroaten. Es braucht Zeit, bis aus dem Nebeneinander wieder ein Miteinander wird."