Bradoh Enodeh, Friseur und bildender Künstler, lebt seit 13 Jahren in Innsbruck.

Foto: Willi Kozanek

daStandard.at: Wie kam es, dass du heute in Innsbruck arbeitest? Wann bist du nach Europa gekommen?

Enodeh: Das war purer Zufall. Ich habe in London als Friseur gearbeitet und mein damaliger Chef eröffnete einen neuen Friseurladen hier in Innsbruck. Nach Europa kam ich zum Studieren. Angefangen hat meine Zeit auf dem Kontinent in Rom. Ich habe in Lagos maturiert und wollte dann in die USA. Es gab allerdings Komplikationen mit meinem Visum und ich entschied mich es in Italien zu probieren. Dort machte ich die Matura ein zweites Mal und fing an Philosophie und Innenarchitekturdesign zu studieren. Mein Geld habe ich mir damals noch mit Fußballspielen verdient. In Italien blieb ich vier Jahre und ging dann nach Nordamerika. Dort gefiel es mir allerdings nicht und ich ging zurück nach Italien, insgesamt für einundzwanzig Jahre. Dazwischen lebte ich in England.

Warum hat es dir in den USA nicht gefallen? Welchen Unterschied siehst du im Leben in den USA und Europa?

Enodeh: In Amerika gibt es für mich kein richtiges Zusammenleben zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Die Afro-Amerikaner, die Chinesen, die Europäer leben in getrennten Zonen. In Europa gibt es das nicht so sehr, mal ausgenommen vielleicht in Frankreich. Außerdem ist die Lebensqualität hier höher. Das Sozialsystem ist anders und die Arbeitsbedingungen sind freundlicher.

England und vor allem die USA sind traditionelle Einwandererländer. Ist die Art der Tiroler gegenüber Neuem bzw. Fremdem im alltäglichen Leben anders als dort?

Enodeh: Man muss hier zwischen Tirolern unterscheiden, die schon einmal im Ausland waren und denen, die dies nicht waren. Viele Tiroler sind sehr offen und neugierig, weil sie selber woanders gelebt haben. Aber andere Tiroler fühlen sich mit ihrer Lebenssituation wohl und es verstört sie, wenn sie mit etwas Fremdem konfrontiert werden. Sie sollten sich erinnern, dass viele Tiroler am Anfang und Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts selber aus Tirol ausgewandert sind.

War es am Anfang schwer sich in Innsbruck einzuleben?

Enodeh: Und wie! Ich bin vor dreizehn Jahren nach Innsbruck gekommen. Innsbruck heute und Innsbruck vor dreizehn Jahren ist wie Tag und Nacht, man kann es nicht vergleichen. Die Leute waren damals sehr viel verschlossener, ich habe das überall gemerkt, ob im Postamt oder beim Lebensmitteleinkauf. Seit Schengen sind die Leute offener und flexibler geworden. Ich kann das gut beobachten, weil ich so offensichtlich anders bin.

Was vermisst du in Innsbruck am meisten und was gefällt dir hier am besten?

Enodeh: Zwischenmenschlich ist es oft recht unfreundlich hier, es ist vieles nur auf den Familienbereich begrenzt. Außerdem, vor allem im Vergleich zu England, komme ich mir hier oft beobachtet vor, es ist nicht gerade sehr kosmopolitisch. Am besten gefällt mir, dass die Arbeit in Österreich sehr professionell gehandhabt wird. Du bekommst was dir zusteht. Wenn du gut bist, dann erhältst du die dir zustehende Anerkennung und musst um nichts betteln. In Italien, zum Beispeil, ist dies nicht so.

Fehlt dir die kosmopolitische Atmosphäre in Innsbruck?

Enodeh: Auf der einen Seite schon, auf der anderen Seite nicht. Es ist ruhiger hier, das genieße ich sehr. Aber auch die Leute wurden in den letzten Jahren toleranter, kosmopolitischer. Der Staat nicht so sehr. Ich finde es immer noch eigenartig, dass die Fremdenpolizei "Fremdenpolizei" und das Außenministerium "Außenministerium" heißt. Warum heißt es nicht "Fremdenministerium" oder die Fremdenpolizei "Außenpolizei"?

Kannst du dich mit Tirol bzw. Österreich identifizieren?

Enodeh: Ja, ich fühle mich als Tiroler, bin aber kein Tiroler. Es gibt Menschen hier, die damit ein Problem haben. Aber nur weil ich mich als Tiroler fühle und es mir hier gut geht, heißt das nicht, dass es allen hier so geht. Viele Nicht-Österreicher hatten nicht die gleichen Möglichkeiten hier wie ich. Viele Tiroler hatten die nicht mal.

Wie ist das bei deinen Bildern - spielen da deine verschiedenen Lebensmittelpunkte eine Rolle?

Enodeh: Nein, es geht eher um die Erfahrungen, die ich in diesen Ländern gemacht habe. Gerechtigkeit oder Einsamkeit. Man fühlt sich oft allein, wenn man an einen neuen Ort gelangt. Ich versuche das aber ironisch in meinen Bildern zu zeigen. Oft wird meine Kunst auch missverstanden. Wenn ich ein Reißbrett mit weißen Nägeln habe und darauf einen schwarzen Würfel platziere, dann symbolisieren die Nägel nicht den bösen weißen Mann, sondern die allgemeinen Schwierigkeiten, die einem im Leben begegnen.