Auf dem Weg zu einem ersten ITER-Prototypen bedarf es noch einiger Erfindungen.

Foto: www.iter.org

Paris - Namhafte Wissenschafter, darunter Physik-Nobelpreisträger Georges Charpak, haben sich vehement gegen den Atomfusionsreaktor ITER ausgesprochen. Das im südfranzösischen Cadarache geplante Versuchsprojekt sei "unerschwinglich und nicht funktionstüchtig", kritisierten die Wissenschafter am Dienstag in einem Beitrag für die Tageszeitung "Liberation". Durch die voraussichtlich von fünf auf 15 Milliarden Euro gestiegenen Baukosten würden zahlreiche andere, wichtigere Forschungsprojekte gefährdet. An dem Versuchsprojekt sind neben den Europäern auch China, Indien, Japan, Südkorea, Russland und die USA beteiligt.

Der ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) soll in großem Maßstab zeigen, wie aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie erzeugt werden kann; herkömmliche Kernkraftwerke gewinnen Energie aus der Spaltung von Atomkernen. Herzstück des Fusionsreaktors soll eine ringförmige Vakuum-Röhre sein. Um das Feuer der Kernfusion zu zünden, muss der Brennstoff - ein extrem dünnes Plasma aus den Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium - in Magnetfeldern eingeschlossen und auf Temperaturen von rund 100 Millionen Grad erhitzt werden. Deuterium kann aus Meerwasser gewonnen werden, Tritium durch die Bestrahlung von Lithium-Gas.

Weit vom Prototyp entfernt

Die Wissenschafter bemängelten nun, dass drei große Schwierigkeiten erst noch überwunden werden müssten: das Plasma in einer Ummantelung zu halten, Tritium in großen Mengen herzustellen und Materialien zu erfinden, um das Plasma einzuschließen. Ab 2019 werde höchstens die erste dieser Schwierigkeiten erprobt werden; die dritte Schwierigkeit sei die "gefährlichste". Das Projekt sei daher weit von einem Prototyp für ein Kraftwerk entfernt.

Statt weiter hohe Beträge in das ITER-Projekt zu pumpen, solle die internationale Gemeinschaft und vor allem Europa vielmehr ein Kernkraftwerk der vierten Generation bauen, forderten die Forscher. Diese könnten Atomabfälle in Brennstoffe verwandeln und so eine "saubere Energie für mindestens 5000 Jahre" liefern.

Laut EU-Kommission bietet die neue ITER-Technik "Aussicht auf eine schier unerschöpfliche Quelle für sichere und saubere Energie". Die EU hatte sich erst kürzlich bereiterklärt, eine Summe von bis zu 6,6 Milliarden Euro zu investieren, wobei der europäische Anteil an dem Projekt um die 45 Prozent liegt. (red/APA)