Grafik: STANDARD

Es gibt bereits zahlreiche Branchen, in denen es mehr offene Stellen als Arbeitslose gibt. Experten gehen davon aus, dass es in den nächsten Jahren noch schwieriger wird, gute Leute zu finden.

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Wien - Schauspieler und Geschichtswissenschafter haben es nicht leicht. Zumindest am Arbeitsmarkt. Statistisch gesehen haben sie die schlechtesten Chancen, einen Job zu finden. Derzeit sind beim Arbeitsmarktservice (AMS) nämlich 338 Schauspieler und 108 Geschichtswissenschafter als arbeitslos gemeldet. Die Zahl der offenen Stellen in beiden Fällen: null.

Insgesamt ist die Lage am Arbeitsmarkt aber längst nicht mehr so trist. Wie berichtet ist die Zahl der Jobsuchenden in den letzten Monaten zurückgegangen. Bei genauerer Analyse der AMS-Daten zeigt sich auch: Es gibt bereits wieder zahlreiche Branchen, in denen es mehr offene Stellen als Arbeitslose gibt (siehe Grafik). Gesucht werden beispielsweise Dachdecker, Bauspengler, Betonbauer, Zimmerer, aber auch diplomierte Krankenpfleger oder Installateure. Insgesamt gibt es 39 Branchen, in denen es laut AMS einen Fachkräftemangel gibt. Wobei Mangel in der Statistik etwas großzügiger definiert ist. Es wird nämlich auch dann von einem Mangel gesprochen, wenn es höchstens 1,5 mal mehr Jobsuchende als offene Stellen gibt. Der Hintergrund dafür: Nicht jeder Arbeitslose kann auf jede Stelle vermittelt werden.

Dennoch wird in Wirtschaftskreisen bereits wieder der Ruf nach einer verstärkten Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte laut. "Fachkräfte werden gesucht wie die Stecknadel im Heuhaufen", sagt Martin Gleitsmann, Sozialexperte der Wirtschaftskammer. Seit Wochen drängt die Kammer darauf, die im Regierungsprogramm vorgesehene Rot-Weiß-Rot-Card einzuführen. Mit dieser Karte soll eine Arbeitsmarkt-gesteuerte Zuwanderung ermöglicht werden. Im Wesentlichen geht es um den Nicht-EU-Raum, da - mit den Ausnahmen Rumänien und Bulgarien - ab Mai 2011 ohnehin für alle EU-Länder der Arbeitsmarkt geöffnet wird.

Weniger Lehrlinge

Wie groß der Fachkräfte-Mangel in den nächsten Jahren sein wird, lässt sich derzeit noch schwer sagen. Eine aktuelle AMS-Studie geht davon aus, dass die Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze für Fachkräfte von 587.320 im Jahr 2009 auf 616.530 im Jahr 2014 steigen wird. Als Fachkraft wird bezeichnet, wer mindestens einen Lehrabschluss aufweist. Gleichzeitig wird prognostiziert, dass die Zahl der Lehrlinge bis 2014 sinkt. Von fast 130.000 auf knapp 122.000.

Bei der Lehrlingsausbildung hakt auch die Arbeiterkammer ein. Diese zu forcieren sei wichtiger als Zuwanderung, erklärt Josef Wallner, Arbeitsmarkt-Experte von der AK-Wien. Auch Länder wie die Schweiz und die nordischen Staaten würden auf die eigene Ausbildung setzen. Die Industrie habe in den letzten Jahrzehnten aber bei der Lehrlingsausbildung nachgelassen. Außerdem werde zu wenig in die Fortbildung der Mitarbeiter investiert. Wallners Kritik: Die Wirtschaft starte alle paar Jahre eine neue Kampagne für mehr Zuwanderung. In Wahrheit wolle man aber nur die Löhne senken. (Günther Oswald, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.8.2010)