Vom Spardiktat bleibt auch die heiligste Institution Großbritanniens nicht verschont. Ohne viel Aufsehen hat die neue Koalition aus Konservativen und Liberaldemokraten jetzt ein Hilfsprogramm gestrichen, das der Welle von Pub-Schließungen, besonders auf dem Land, Einhalt gebieten sollte. Die Staatsgelder von insgesamt vier Millionen Euro sollten Nachbarschafts-Gruppen zugute kommen, die ihren sozialen Mittelpunkt erhalten wollen. "Wir hatten fest mit einem Zuschuss gerechnet" , sagt Marie Church aus dem Dorf Skeeby in der Grafschaft Nord-Yorkshire. "Das ist ein schlimmer Rückschlag."

Die Rückschläge häufen sich. Das "härteste Sparprogramm seit Ende des Zweiten Weltkriegs" , von dem das renommierte Institut für Fiskalstudien spricht, nimmt Gestalt an. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ein Minister das Rekorddefizit von 180 Mrd. Euro oder 10,1 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes anprangert und die Schrumpfung des Staates ankündigt. Dabei werde "auch manches verloren gehen, worauf wir wirklich Wert legen" , sagt Regierungschef David Cameron,

In gewisser Weise zählen die ländlichen Wirtshäuser dazu. Die Big Society, deren Vorzüge der Konservative gern preist, muss ohne Staatsknete auskommen.

Weniger Wachstum

Der konservative Finanzminister George Osborne und sein liberaler Vize Danny Alexander haben einen rigiden Sparkurs verordnet, den Sozialausgaben eine Milliarden-Schrumpfkur angekündigt, die Ministerkollegen um Sparvorschläge von bis zu 40 Prozent gebeten. Derzeit besteht ein Viertel aller Staatsausgaben aus gepumptem Geld.

Im Oktober will die Regierung ihr Ausgaben-Programm für die nächsten Jahre vorlegen, der Nachtragshaushalt im Juni gab die Richtung vor: Lohnstopp im öffentlichen Dienst, wo binnen zwölf Monaten 50.000 Stellen verschwinden, Streichung von Schul-Neubauten und Verkehrsprojekten. Spitzenverdiener zahlen statt 40 nun 50 Prozent Einkommenssteuer, für alle wird die Mehrwertsteuer um 2,5 Prozentpunkte erhöht. Im Innenministerium ist von 20.000 Polizisten weniger die Rede.

Die Gewerkschaften kündigen bereits Widerstand an. Prominente Ökonomen warnen vor dem erneuten Abrutschen in die gerade erst überwundene Rezession. Der "Schlitzer Osborne" opfere 1,3 Millionen Jobs auf dem Altar fiskalischer Nüchternheit, argumentiert Professor David Blanchflower vom Dartmouth College in den USA: "Das ist unnötig und gefährlich." Tatsächlich musste die Bank of England am Mittwoch ihre Wachstumsprognose für 2011 von 3,4 auf 2,5 Prozent reduzieren. Das Inflationsziel von zwei Prozent werde erst Anfang 2012 erreicht, räumte Gouverneur Mervyn King ein. Aktivistin Church will sich aber nicht unterkriegen lassen. "Die Leute hier sind wild entschlossen, unser Pub wieder zu öffnen." (Sebastian Borger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.8.2010)