Shi Mingde, neuer Botschafter in Wien.

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Zwölf von Peking gerade ernannte neue Botschafter stellen sich vor Chinas Fahne auf. Vor Außenminister Yang Jiechi schwören sie den Amtseid, ihrem Land würdig zu dienen. Unter den Diplomaten steht in der ersten Reihe der 55-jährige Shi Mingde. Für den neuen Missionschef in Österreich, der am Donnerstag sein Amt in Wien antrat, hatte diese zeremonielle Vereidigung im Juli auch einenfamiliären Touch, sagte er dem Standard noch vor seiner Abreise in Peking: weil sein 76-jähriger Vater und die 75-jährige Mutter als Zuschauer an der kollektiven Feierstunde teilnehmen durften.

Genau ein halbes Jahrhundert zuvor war die Familie nach Peking gekommen. Der Vater, ein angesehener Shanghaier Konfektionsmeister, sollte dort die staatliche Hongda-Schneiderei mit aufbauen, die dann Generationen chinesischer Führer einkleidete.

Shi Mingde wurde in Peking eingeschult, wo er so gut lernte, dass er 1964 an einem Experiment in Pekings Fremdsprachenschule teilnahm. Premier Zhou Enlai hatte angeregt, Sprachen schon von der dritten Klasse an zu unterrichten, um eine Generation kundiger Diplomaten auszubilden.

Der neunjährige Shi wurde dem Deutschkurs zugeteilt. Er erwarb sich so nicht nur eine neue Sprache. Seine Mitschülerin Xu Jinghua heiratete er 1981. Xu, die ihren Mann nach Wien begleitet, hat sich als Übersetzerin einen Namen gemacht und selbst schwierige Theaterstücke wie Stecken, Stab und Stangel von Elfriede Jelinek ins Chinesische übertragen. Auch der Sohn spricht Deutsch.

Die Sprache ist kein Selbstzweck für Shi Mingde. Seinen Vornamen "Mingde" ( tugendsam handeln) hat ihm der Vater nach einem Begriff des altchinesischen Philosophen Laozi gegeben. Weil das Schriftzeichen "de" im Chinesischen aber auch die Bedeutung "deutsch" besitzt, wurde der Name zum Omen im Werdegang des Karrierediplomaten.

1972 wurde Shi nach dem Abitur an Chinas Botschaft in der DDR geschickt. Später folgten diplomatische Einsätze im wiedervereinigten Deutschland, wo er 2002 bis 2006 Gesandter in Berlin war. Im Pekinger Außenamt stieg Shi in den Planungsstab auf, arbeitete für die Westeuropa-Abteilung. Von 1990 an führten ihn Dienstreisen auch nach Österreich. Nach 2006 holte ihn Chinas Staats- und Parteiführung in ihr Beraterteam für Außenpolitik.

Shi Mingde sieht "gute Chancen", die Kooperation mit Österreich etwa beim Umweltschutz, erneuerbaren Energien oder Wasserbehandlung anzuschieben. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2010)