Die Wall Street hat ihre Sommer-Rallye jäh beendet. Zweifel an der konjunkturellen Erholung, der ernüchternde Ausblick der Notenbank sowie schwache Makrodaten aus China lösten einen sell-off in New York aus. Der Dow Jones verliert 3,33% auf 10.320, der S&P500 tendiert 3,75% schwächer und der Nasdaq Composite knickt 4,48% ein. Der Ölpreis litt unter der Angst vor einem schwächeren chinesischen Wirtschaftswachstum und handelt 7,8% schwächer bei nun USD 75 je Barrel WTI.
Die Arbeitsmarktsituation hat sich im Juli weiter verschlechtert. Die Zahl der Beschäftigten fiel um 131.000. Der Konsens war von lediglich 87.000 ausgegangen. Die Erstanträge auf Arbeitshilfe stiegen auf 484.000, der Konsens hatte mit einem Rückgang auf 465.000 gerechnet. Auch in der Privatwirtschaft entwickelt sich die Erholung nur schleppend. So wurden im Juli 71.000 neue Stellen geschaffen, der Konsens hatte mit 90.000 gerechnet. Die Produktivität enttäuschte, sie fiel im Q2 um 0,9%, während Volkswirte von einem Plus in Höhe von 0,3% ausgegangen waren. Das Handelsbilanzdefizit stieg im Juni auf USD 50 Mrd., dies bedeutet das größte Defizit seit Oktober 2008. Ähnlich trist sieht das Budgetdefizit aus, es beläuft sich seit Jahresbeginn auf USD 1,17 Billionen.
Der Konjunkturausblick des Offenmarktausschusses war deutlich verhaltener als noch im Juni: „die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung werde wahrscheinlich langsamer sein als ursprünglich angenommen" hieß es offiziell. Der Leitzinssatz wird weiterhin auf extrem niedrigem Niveau für einen längeren Zeitraum bleiben. Zudem werde man Tilgungszahlungen von - im Zuge der Krise erworbenen - Hypothekenanleihen nun zum Kauf von weiteren Treasuries verwenden. Man mutet dem Markt also kaum Liquiditätsentnahmen zu und signalisiert, dass man bei einer weiteren Eintrübung der Konjunktur, das Quantitative Easing verstärken werde. Die Finanzkrise wird also weiterhin mit den Mitteln bekämpft, durch die sie überhaupt erst entstanden ist: zu niedrige Zinsen und schier grenzenlose Liquidität. Der Goldpreis reagierte lehrbuchmäßig und legte knapp 1,5% auf USD 1.215 je Unze zu.
Schock bei Hewlett Packard
Der weltgrößte Computerproduzent HP verliert auf Wochensicht knapp 12%. CEO Mark Hurd trat völlig überraschend zurück. Lt. einer internen Untersuchung habe es eine „enge persönliche Beziehung" zu einer Mitarbeiterin gegeben, im Zuge derer es zu unrechtmäßigen Zahlungen gekommen war. Der Abgang wird Hurd allerdings mit einer Abfindung in Höhe von USD 12 Mio. versüßt. Interimistisch wird nun CFO Cathie Lesjak das Amt übernehmen. Die Bilanz von Hurd ist durchwegs positiv. Er übernahm den schwer angeschlagenen Konzern 2005 und baute insbesondere das Dienstleistungssegment massiv aus. Die Jahresprognose von HP wurde indes angehoben. Man erwartet nun einen Gewinn in Höhe von USD 4,50 je Aktie.
AIG meldete einen Nettoverlust von USD 2,66 Mrd. Nun wolle man sich von weiteren Anteilen an American General Finance trennen, man habe sich bereits mit dem Finanzinvestor Fortress Investment über die Details geeinigt. Auch der marode Hypothekenanbieter Fannie Mae meldete einen Milliardenverlust in Höhe von USD 3,13 Mrd. Zudem müsse man weitere Staatshilfe in Anspruch nehmen. Freddie Mac werde indes „nur" USD 1,8 Mrd. benötigen, seit 2008 belaufen sich die Zuschüsse bereits auf USD 64 Mrd. Goldman Sachs hat bekanntgegeben, dass man sich vom Eigenhandel trennen werde. Damit erfülle man die Volcker-Regel, die die Obergrenze im Prop-Trading bei USD 2,1 Mrd. sieht. Bei Goldman liegt der Wert derzeit bei knapp 30 Mrd. Auch Morgan Stanley, Bank of America und Citigroup haben angekündigt, ähnliche Schritte zu planen.
Cisco schockt den Tech-Sektor
Der pessimistische Ausblick von Cisco schickte die Aktie (-11%) sowie den gesamten Tech-Sektor ins Minus. Die Umsätze kletterten um 27% auf USD 10,9 Mrd., der Gewinn stieg von USD 1,1 Mrd. auf 1,9 Mrd. Für das laufende Quartal stellte Cisco nun jedoch ein geringeres Wachstum in Aussicht, was als verlässlicher Indikator für die Investitionstätigkeit der Unternehmen gilt. Kraft Foods konnte die Erwartungen deutlich toppen. Der Nettogewinn lag im Q2 bei USD 937 Mio., im Vergleichszeitraum waren es noch von USD 829 Mio. Walt Disney konnte Erlöse und Gewinn unerwartet deutlich steigern. Der Umsatz stieg um 16% auf USD 10 Mrd., der Nettogewinn um knapp 40%. Toy Story 3, Alice im Wunderland und Iron Man 2 waren die Blockbuster im Kino, zudem entwickelte sich das TVGeschäft
deutlich über Erwartungen.
In der nächsten Handelswoche werden kaum relevante Unternehmensergebnisse präsentiert. Impulse sollten vom Empire Manufacturing Index, der Industrieproduktion, den Immobiliendaten sowie den Frühindikatoren kommen. Zudem ist am Freitag August-Verfallstag. Unsere Einschätzung für den US-Markt hat sich klar eingetrübt. Am Mittwoch lag das Abwärtsvolumen an der NYSE bei knapp 97%, was ganz klar eine Verkaufspanik signalisiert, zudem hat der S&P seinen „key support" bei 1.107 gebrochen. Weiters zeigen die Nebenwerte (anhand des Russel 2000) relative Schwäche, ebenso die Halbleiter. Weiters hat der Volatilitätsindex VIX seinen Abwärtstrend nun scheinbar ebenfalls beendet, die nächsten Wochen dürften somit deutlich volatiler werden. Ein Engagement am US-Aktienmärkt drängt sich unserer Meinung nach derzeit ganz eindeutig nicht auf.