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Premier Tayyip Erdogan mit Generalstabschef Ilker Basbug in Gedikapasa. Die PKK hatte im Frühling eine Offensive gestartet.

Foto: EPA/Kayhan Ozer

Am Kriegsschauplatz im Südosten der Türkei steht möglicherweise eine Ruhepause bevor. Wie die unabhängige Zeitung Taraf berichtete, plant die Kurdische Arbeiterpartei (PKK), für die Dauer des am Montag begonnenen muslimischen Fastenmonat Ramadan einen Waffenstillstand auszurufen. Mehrere zivile Organisationen aber auch die kurdische Regionalpartei BDP haben bereits mehrfach einen Waffenstillstand gefordert, zu dem sich allerdings nicht nur die PKK, sondern auch die türkische Armee bekennen soll.

Nach Informationen aus PKK nahen Kreisen wird der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan bis Sonntag, wenn sich der Aufstand das 26. Mal jährt, den Waffenstillstand offiziell machen. Gestern war es allerdings noch zu einem Überfall auf einen Militärtransporter gekommen und in Ankara wurde eine 2,5 Kilogramm Bombe in der Nähe einer Polizeistation entschärft, die auch auf die PKK zurückgehen soll.

Öcalan selbst hatte im Mai einen zuvor ausgerufenen einseitigen Waffenstillstand der PKK für beendet erklärt. Seitdem war es in den kurdischen Regionen wieder zu schweren Kämpfen gekommen, bei denen mehr als 50 Soldaten und eine unbekannte Zahl von PKK-Guerilleros getötet wurden.

Roadmap von Öcalan

Öcalan hatte mit der Aufkündigung des Waffenstillstandes darauf verwiesen, dass die regierende AKP ihre politische Initiative zur Lösung des Kurdenkonflikts, die Premierminister Recep Tayyip Erdogan im letzten Sommer angekündigt hatte, offenbar nicht ernst meint. Seine eigenen Vorschläge die Öcalan in einer "Roadmap" präsentiert hatte, waren von der Regierung unbeantwortet geblieben.

Osman Baydemir, Bürgermeister der größten, überwiegend von Kurden bewohnten Stadt Diyarbakir, hat jetzt den Ball von Öcalan in einer öffentlichen Rede vor wenigen Tagen wieder aufgenommen und in der bislang konkretesten Form die Forderungen der kurdischen Vertreter noch einmal auf den Punkt gebracht. "Warum", fragte er, "soll nicht vor dem Rathaus in Diyarbakir neben der türkischen Fahne auch eine kurdische Fahne wehen?"

Baydemir plädierte für eine Umwandlung der zentralistisch regierten Türkei in einen föderalen Staat, in dem es neben einer selbstverwalteten kurdischen Region auch eine Schwarzmeer-Region und etliche weitere Regionen mit einem eigenen Regionalparlament und eigener Fahne geben sollte. Diese Vorschläge wurden von der Regierung zurückgewiesen und gegen Baydemir ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Trotzdem werden sie in den türkischen Zeitungen heftig diskutiert.

Erstmals seit längerem ist auch die türkische Kriegsführung im kurdischen Aufstandsgebiet wieder international in die Kritik geraten. Einer deutschen Menschenrechtsdelegation, die im Frühjahr den Südosten der Türkei besucht hatte, waren dort Fotos verstümmelter Leichen von getöteten PKK-Militanten überreicht worden.

Giftgasverdacht

Menschenrechtler in Diyarbakir vermuten, dass die PKKler durch Giftgas getötet wurden. Die Delegation hat die Fotos von Forensikern der Hamburger Universitätsklinik untersuchen lassen, die nicht ausschließen wollen, dass einige Verletzungen tatsächlich von Chemikalien stammen könnten. Nach Veröffentlichungen in der Berliner Tageszeitung und Spiegel Online haben mehrere deutsche Politiker, darunter die Parteivorsitzende der Grünen, Claudia Roth, gefordert, dass die türkische Regierung die Vorwürfe durch eine internationale Kommission untersuchen lassen soll.(Jürgen Gottschlich, DER STANDARD, Printausgabe 14./15.8.2010)