Evelyn Fuchs als mädchenhafte Schauspieldiva Irina, Markus Pol als junger Liebhaber.

Foto: Chris Vondru

Wien - Ein Mädchen wächst an einem See in der Provinz auf. Sie ist unschuldig und frei wie eine Möwe. Da kommt ein Mann, und aus Langeweile zerstört er sie. "Viel Liebe" versprach Anton Tschechow 1895 seinem Moskauer Verleger, als er Die Möwe entwarf. Zwei Schüsse und eine gebrochene Existenz kamen noch hinzu, trotzdem ist das Stück eine "Komödie" .

Im Wiener Volksliedwerk in Ottakring ist es derzeit vor allem Evelyn Fuchs, die mit Tschechows Möwe Komödie spielt. Als unwillig alternde Schauspieldiva Irina Nikolajewna zeigt sie Enthusiasmus, Witz und große Gesten. Das Ensemble des Armen Theaters Wien, wie gewohnt von Regisseur Erhard Pauer angeleitet, gastiert nun schon den fünften Sommer im Volksliedwerk in der Gallitzinstraße im 16. Bezirk. Dort, wo auf der endenden Thaliastraße die Straßenbahnen wieder in die Stadt umkehren und die Ottakringer Heurigen angesiedelt sind, dient ein romantisch mit Stuck verzierter Musiksaal hervorragend als Landadelssalon. Die Balkontür zum lauschigen (Gast-)Garten ist geöffnet, draußen zirpen Grillen und wird es dunkel - eine bessere Kulisse für das Liebesleid in der russischen Provinz kann es kaum geben.

Der angehende Avantgarde-Dichter Konstantin Gawrilowitsch liebt die junge Nina. Nina aber verliebt sich in den erfolgreichen Schriftsteller Trigorin. Trigorin lebt wiederum mit der Diva Irina. Nina, die Schauspielerin werden möchte, ist für ihn nur eine Affäre, er richtet sie zugrunde.

Auch die Nebenrollen lieben unglücklich: Mascha (Lena Brandt), die Tochter des schrulligen Gutsverwalters (Walter Gellert), liebt Konstantin, ihre Mutter (Inge Altenburger) ist dem charmanten Arzt Dorn ergeben (von Burgschauspieler Karl Menrad verkörpert).

Peter Kratochvil als Kostja und Markus Pol als Trigorin sind zwei emotionale Kontrahenten. Ersterer steht mit Inbrunst zu seinen großen Gefühlen, Pol spielt den arroganten, aalglatten Charmeur und Modedichter. Krista Pauer ist als Nina leider gar hysterisch. Doch das Ensemble spielt mit viel Hingabe, Gefühl und gutem Gespür für Komik und Tragik. Der Zuseher schwelgt im russischen Salon. (Isabella Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 14./15. August 2010)