Die Theaterkünstlerin - einst Mann, heute Frau - ist es auch, die in die Hintergrundgeschichte des bei Impulstanz präsentierten Stücks Gardenia unter der Regie von Alain Platel und Frank Van Laecke einführt.

Foto: © Luk Monsaert

Wien - Lautlos hebt sich der eiserne Vorhang des Akademietheaters, und da stehen sie. Neun Erscheinungen in eleganten Anzügen, alle auf sehr unterschiedliche Art schön. Sieben Herren um die sechzig, eine Frau in ihren Fünfzigern und ein junger Mann. Einer der Herren, dargestellt von Vanessa Van Durme, 62, singt rasselnd Somewhere Over the Rainbow.

Die Theaterkünstlerin - einst Mann, heute Frau - ist es auch, die in die Hintergrundgeschichte des bei Impulstanz präsentierten Stücks Gardenia unter der Regie von Alain Platel und Frank Van Laecke einführt: Der letzte Abend des Gardenia Cabaret, das nach vierzig Jahren seine Pforten schließt. Die scheidenden Darsteller tragen glitzernde Namen wie Shirley Nightingale oder Juanita de Buenos Aires, und sie sind Drag Queens mit sündiger Aura: Her cunt is like the Grand Central Station oder The queen of blow jobs.

Aus den Anzügen schälen sich langsam, wie Schmetterlinge aus ihren Puppen, hohe und kleine, hagere und dickliche Ladys, deren queere Divenhaftigkeit ihre Vorbilder wie Liza Minelli schier verblassen lassen. Eine dieser Diven tritt- "It is time for a cigarette!" - vor und singt Cu curu cucu Paloma fast so anrührend wie Caetano Veloso in Pedro Almodóvars Film Hable con ella.

Platel und Van Laecke, die Gardenia nach einem Konzept von Vanessa Van Durme umgesetzt haben, orientierten sich an einem anderen Film, Yo soy así von Sonia Herman Dolz, der von einem abgewickelten Varieté in Barcelona handelt. Bis zu diesem Song können die älteren Darsteller ihr Referenzwerk zur Erzeugung von Sentiment im Cabaret, ihre Huldigung von Erotik und Anderssein wunderbar entwickeln.

Während der Dauer von Ravels Bolero transformieren die Darsteller zu Traumgestalten des Andersseins.

Doch dann geschieht ein Bruch. Der junge Mann bläst sich zum hämischen Harlekin auf, der den darstellerischen Zauber der Queens systematisch ruiniert. Auf die zweite Hälfte von Gardenia wirkt dieser Regieeinfall verheerend. Das davor aufgebaute Bild wird gnadenlos mit pseudoexistenzialistischem Regietheater zugepappt. Die Transformation der Anzugträger in schillernde Ladys ist für sich genommen schon ein starkes politisches Statement. Doch die Regie wollte sich auf dieses nicht verlassen und schwenkte auf langatmige Tragödienarbeit um.

Deren tranige Sentimentalität und die Penetranz der triumphierenden Jugendlichkeit des Tänzers lässt die Diven schließlich lächerlich aussehen. Das ist besonders traurig, weil das Stück eigentlich als Ausdruck der Hoffnung gemeint ist. Doch seine schwachen Regisseure verkehren es ins Gegenteil. (Helmut Ploebst, DER STANDARD - Printausgabe, 14./15. August 2010)