Im Pekinger Staatsgästehaus Diaoyutai schüttelten einander Freitagmittag Washingtons Unterhändler James Kelly und Nordkoreas ehemaliger UN-Vertreter Li Gen widerstrebend die Hände. Chinas neuer Außenminister Li Zhaoxing hatte sie zuvor in mühsamen Einzelgesprächen dazu überreden können. Die Abschlussgeste nach dem dreitägigem Treffen signalisierte weder eine Einigung noch ein Näherkommen der Standpunkte der beiden Kontrahenten im Atomstreit um Pjöngjangs nukleare Aufrüstung.

Sie demonstrierte aber der Weltöffentlichkeit, dass die unter Vermittlung Pekings einberufenen Drei-Parteien-Gespräche nicht abrupt abgebrochen, sondern ordentlich zu Ende geführt wurden. Li Zhaoxing bewertet daher die ergebnislosen Gespräche als einen "guten Anfang". Diplomatisch verschnörkelt beschrieb die Nachrichtenagentur Xinhua den kleinsten Nenner, auf den sich die Beteiligten einigen konnten. Sie seien übereingekommen über die Frage, wie sich weitere Gespräche arrangieren lassen, über diplomatische Kanäle "in Kontakt zu bleiben".

Anders gesagt: Die Tür zum Gespräch bleibt offen. Das magere Ergebnis klammert aber die Streitfrage aus, ob ein Dialog bilateral, wie Nordkorea fordert oder multilateral, wie es die USA verlangen, weitergeführt wird. Dennoch hat China so in letzter Minute abwenden können, dass die militärische Option auf die Tagesordnung kommt.

Technisch und inhaltlich waren die Gespräche am Ende des zweiten Tages geplatzt. Nach US-Angaben hatte Nordkoreas Verhandlungsführer Li Gen am Donnerstag gegenüber Kelly den Besitz von Atomwaffen zugegeben und darauf beharrt, dass sein Land ein Recht habe, diese zu testen. Das Eingeständnis sei angeblich beim Mittagstisch gemacht worden. Später schränkten Übersetzer ein, dass der Nordkoreaner nicht das Wort "Test" benutzt habe. Weiter hieß es, Li habe während der offiziellen Gespräche mitgeteilt, dass alle 8000 abgebrannten nuklearen Brennstäbe aufgearbeitet werden. Mit dem Plutonium könnte Nordkorea nach amerikanischen Berechnungen sechs Atomwaffen bauen. Über Nordkoreas angebliche Atomwaffen streiten nun die Experten, ob sie als Drohung, Tatsache oder Bluff, oder nur als Verhandlungsmasse für US-Zugeständnisse verstanden werden sollten. US-Außenminister Colin Powell betonte, dass sich die USA nicht von "kriegstreiberischen Statements" einschüchtern lasse.

US-Präsident Bush warf Pjöngjang zornig vor, zum "alten Spiel der Erpressung" zurückzukehren. Die USA ließen sich nicht unter Druck setzen. Bush nannte Nordkoreas Ankündigungen ein Beispiel, wie wichtig es ist, die Weitergabe von Massenvernichtungsmittel zu verhindern. Nordkorea hatte bisher nicht öffentlich bestätigt, Atomwaffen zu besitzen. China tritt für eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel ein.
(DER STANDARD, Printausgabe, 26. und 27. 04. 2003)