Grafik: dtv-Atlas Weltgeschichte

Die Aufarbeitung der Ausbeutung ist in Asien wie in Europa noch lange nicht abgeschlossen.

Die südkoreanische Reiseleiterin in Tokio erzählt, dass viele Japaner für südkoreanische Filmstars schwärmen. Japanische Comics und Zeichentrickfilme seien wiederum in Südkorea populär. Aber wenn die Rede auf die Geschichte komme, breche das Gespräch zwischen Japanern und Koreanern sehr plötzlich ab. Am Wochenende feierte man nicht nur in Südkorea, sondern auch in Indien und Bahrain die Unabhängigkeit von früheren Kolonialmächten. Allein acht afrikanische Staaten gedenken im August ihrer Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960. Die Feiern sind jedes Jahr Stoff für heftige Debatten.

In den Ex-Kolonien wie auch unter den Ex-Kolonisatoren ist die Vergangenheitsbewältigung noch alles andere als abgeschlossen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der im Juli die Staats- und Regierungschefs der französischen Ex-Kolonien in Paris empfing, sprach von "starken Banden" , die die Geschichte zwischen Frankreich und den Ex-Kolonien gesponnen habe, doch in Afrika fühlt man sich durch solche Worte eher bevormundet.

Denn Frankreich hat sich keineswegs ganz zurückgezogen, sondern übt mit Militäreinsätzen und seiner Wirtschaftspolitik noch immer starken Einfluss aus. Beispiel Tschad, wo die EU-Mission unter französischer Führung äußerst gesehen wurde. "Wenn Frankreich im Tschad bleiben will, um dort seine Flugzeuge zu nutzen und seine Soldaten üben zu lassen, muss es einen Preis dafür zahlen" , ließ der tschadische Präsident Idris Déby kürzlich zum Unabhängigkeitstag wissen.

In anderen Staaten wird die Vergangenheit aber auch für die Propaganda missbraucht. Simbabwes Präsident Robert Mugabe macht sich etwa die Anti-Kolonial-Rethorik auch Jahrzehnte nach dem Abzug der Eroberer zunutze.

In Europa gibt es Versuche, die Ausbeutung von Arbeitskräften und Ressourcen seit dem Beginn der Kolonialisierung Anfang des 15. Jahrhunderts aufzuarbeiten. Deutschland entschuldigte sich etwa 2004 bei den namibischen Hereros für die Massaker im Jahr 1904. Belgien wiederum, das das ehemalige Zaire, den heutigen Kongo mitsamt seinen Bewohnern als rechtlosen Privatbesitz ansah, hat sich nicht für die grausamen Exzesse entschuldigt. Die Furcht vor Forderungen nach Wiedergutmachungen spielt eine Rolle. Gleichzeitig bleibt die Entwicklungshilfe für die ehemals Ausgebeuteten paternalistisch, solange sich der Westen gegen eine Öffnung seiner Märkte wehrt.

Aber nicht nur Europa tut sich schwer. "Hier in Asien ist Vergangenheitsbewältigung ein riesiger Berg, der noch abgetragen werden muss" , meint Walter Klitz von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. In Korea und China würden die Klage über Japans Gräueltaten als Kern der nationalen Identität wie auch als innen- und außenpolitisches Machtinstrument gepflegt, die eigene Rolle werde aber nicht hinterfragt. (mako, red, DER STANDARD, Printausgabe 16.8.2010)