Bild nicht mehr verfügbar.

Der japanische Premier Minister Naoto Kan gedachte am Sonntag der Kriegsopfer, ging aber nicht zum Yasukuni-Schrein.

Foto: EPA/Franck Robichon

Gestern, Sonntag, am 65. Jahrestag des Kriegsendes, war an Japans wichtigster Kriegsopfergedenkstätte, dem umstrittenen Yasukuni-Schrein, von Reue über die japanische Annexion Koreas vor 100 Jahren nichts zu spüren. Statt Einkehr zu halten, lärmten Rechtsextreme gegen jede Entschuldigung für Japans Eroberungskrieg. An dem Schrein wird neben 2,5 Millionen Kriegstoter auch 14 verurteilter Kriegsverbrecher gedacht.

Einige trugen neben Japans Flagge, der roten Sonne auf weißem Grund, die Hakenkreuzfahne auf dem rechten Ärmel. Zigtausende trugen auf Fächern die Botschaft in die Welt: "Die Annexion Koreas durch Japan ist der Ursprung von Koreas Modernisierung!" Frankreichs Nationalist Jean-Marie Le Pen und andere Europäer - darunter der Europaabgeordnete der FPÖ, Franz Obermayr - stärkten den japanischen Rechten erstmals den Rücken.

Trotz dieser Affronts ist dieses Jahr alles anders als sonst. Erstmals betet kein einziger Minister am Schrein. Stattdessen besucht Japans Premier Naoto Kan die Gedenkstätte für den unbekannten Soldaten. Mit der Geste will er seine "tiefempfundene Entschuldigung" an das koreanische Volk untermauern, bei der er vorige Woche als erster Premier eingestand, dass die Annexion erzwungen war. Frühere Entschuldigungen von Regierungschefs im Jahr 1995 und 2005 wurden entwertet, weil Kabinettsmitglieder gleichzeitig zum Yasukuni-Schrein pilgerten.

Widerstand gegen die Rechte

Die Vergangenheitsbewältigung ist aber auch 65 Jahre nach Kriegsende noch immer nicht abgeschlossen. Einer der Aktivisten von Zaitokukai (Vereinigung gegen das Wahlrecht für Ausländer) schimpft: "Die Demokraten verkaufen und ruinieren Japan." Ein anderer Besucher, der am Schrein einfach nur seines gefallenen Großvaters gedenken will, freut sich hingegen: "Endlich sehen die Rechten mal, dass es in Japan auch Widerstand gegen ihre Sicht gibt."

Die Geste Kans ist so stark, dass sie trotz des rechten Störfeuers sogar in Südkorea "notiert" wurde. "Es ist ein Schritt vorwärts", sagte Südkoreas Präsident Lee Myung-bak, schickte aber hinterher, dass immer noch Fragen zu klären seien. Ganz oben steht die Forderung, dass Japan den am 22. August 1910 von Koreas König Sunjong unterzeichneten Annexionsvertrag als illegal anerkennen müsse. Offen sind Fragen zu Zwangsprostituierten der japanischen Armee, den Zwangsarbeitern im Allgemeinen, zu koreanischen Atombombenopfern, der Anerkennung der koreanischen Herrschaft über die Felsinseln Dokdo und oft auch zur Forderung nach einem Kniefall von Japans Kaisers. (Martin Kölling, DER STANDARD, Printausgabe 16.8.2010)