Jerusalem/Wien - Tausende Israelis gingen am Wochenende in Tel Aviv auf die Straße, und von Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel bis zu Sara Netanjahu, Frau des Ministerpräsidenten, gibt es Fürsprecher: Der Widerstand gegen die geplante Abschiebung von 400 Fremdarbeiterkindern aus Israel wächst. Noch lässt sich die Regierung nicht erweichen, aber sie hat die Fristen für Fremdarbeiter, in der sie ihre Legalisierung versuchen können, verlängert. Wie die Interessenvertreter behaupten, ist diese Verlängerung jedoch eine Augenauswischerei. Überlegt werden auch finanzielle Anreize für Heimkehrer.
Aus Sicht der israelischen Regierung hat es schon Entgegenkommen im großen Stil gegeben. Auf der Liste standen anfangs 1200 Kinder, bei 800 von ihnen wurde inzwischen jedoch der Status legalisiert, nachdem sie die vorgegebenen Kriterien - mehr als fünf Jahre in Israel, Hebräischkenntnisse, Schulbesuch - erfüllt hatten. Unter den 400, die nicht bleiben dürften, sind jedoch weiterhin Kinder, die in Israel geboren wurden. Ihnen wird die illegale Einreise ihrer Eltern zum Verhängnis.
Von beiden Seiten, den Abschubbefürwortern wie auch den Kritikern, wird die Debatte zum Teil sehr heftig und untergriffig geführt. Innenminister Eli Yishai, gleichzeitig Shas-Parteichef, beharrt darauf, dass die Abschiebung das einzige Mittel sei, um Fremdarbeiter daran zu hindern, ihre Kinder als "menschliche Schutzschilde" zu missbrauchen.
Die Ausländer benützten die Kinder als "Baby-Visa", sagte Yishai in einer Sondersitzung der Knesset, in der er als "primitiv" und "Rassist" beschimpft wurde. Yishai sagte in dieser Sitzung auch, dass, wenn es nach ihm ginge, alle 1200 Kinder mit ihren Familien abgeschoben würden.
Auch mit Sara Netanjahu zeigte er sich ungnädig: Sie solle sich an das zuständige Komitee wenden. Sara Netanjahu hatte in einem Brief Yishai "als Mutter von zwei kleinen Söhnen und als Psychologin" (...) "aus ganzem Herzen" gebeten, dass zumindest die meisten Kinder bleiben dürfen.
Elie Wiesel appellierte an den "jüdischen Geist, das jüdische Herz und das jüdische Mitleid". Er sei "besorgt und erstaunt", denn er habe die Juden wegen der selbst erlittenen Leiden für sensibler für das Leid anderer gehalten. Andere Organisationen schlossen sich den Appellen an, etwa auch das Zentrum für Holocaust-Überlebende (COSHI) in Israel. Die Regierung versuche auf diesem Weg "wirtschaftliche und Beschäftigungsprobleme" des Staates zu lösen, hieß es in einem Brief.
Die offiziellen Zahlen sprechen von ungefähr 200.000 - natürlich nicht-jüdischen ausländischen Arbeitskräften aus Asien und Afrika in Israel, es dürften aber mehr sein. Yishai sprach deshalb von einer "existenziellen Drohung für den jüdischen Staat". Die Kritik an der Entscheidung - und die Medien, die diese Kritik verbreiten - bezeichnete er als "voreingenommen" und "scheinheilig". (guha/DER STANDARD, Printausgabe, 17.8.2010)