Wien - Das Schreiben von Wiener Wohnen macht Peter Taborsky einigermaßen fassungslos. "Wiener Wohnen wurde gemeldet, dass Sie die Wohnung in Wien 2 (...) nicht mehr benützen und an Dritte weitergegeben haben", steht in dem Schreiben vom 4. August, das mit der Aufforderung endet, entweder die Wohnung zu kündigen, falls kein dringendes Wohnbedürfnis bestehe, oder binnen 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, "da sonst die gerichtliche Freigabe der Wohnung betrieben werden muss".

"Ich weiß nicht, wie der Eindruck entstehen konnte, dass ich meine Wohnung gar nicht mehr benütze", sagt der 64-Jährige, der an Parkinson leidet. Seit 13 Jahren wohnt Taborsky in der 44 Quadratmeter großen Gemeindewohnung in der Vorgartenstraße in der Leopoldstadt.

Seine Frau Annemarie hat eine Vermutung. Das Ehepaar ist seit sieben Jahren verheiratet, hat aber stets getrennt gelebt, weil in der kleinen Wohnung von Herrn Taborsky für seine Frau und deren Sohn nicht genügend Platz ist, umgekehrt wäre auch die 55 Quadratmeter große Wohnung von Annemarie Taborsky für drei Personen zu beengt.

Ende Juli hat Annemarie Taborsky in der Waschküche der Wohnhausanlage in der Vorgartenstraße die Wäsche ihres Mannes gewaschen. Dort wurde sie von zwei älteren Damen "ziemlich unfreundlich gefragt, was ich da mache". Auf der Liste, in die sich die Mieter für die Waschküchenbenützung eintragen müssen, hätten die beiden wohl den Namen ihres Mannes gelesen - und wahrscheinlich daraus geschlossen, dass sie illegalerweise in der Wohnung lebt. "Eine Woche später war jedenfalls der Brief von Wiener Wohnen im Postkasten." Peter Taborsky hat mittlerweile eine schriftliche Stellungnahme an die ausgelagerte Gemeindebauverwaltung geschickt und wartet nun auf Antwort.

Kontrollpflicht

Für Hanno Csisinko, den Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP), ist man bei Wiener Wohnen völlig korrekt vorgegangen. "Wiener Wohnen ist generell verpflichtet, auf die Einhaltung der Hausordnung zu achten - und diese Verpflichtung besteht sowohl den einzelnen Mietern gegenüber als auch der Mietergemeinschaft." Herr Taborsky habe in einem Gespräch mit Wiener Wohnen angedeutet, dass er die Wohnung gerade sanieren lasse, um sie "weiterzugeben". Das sei der Grund für den Brief gewesen.

Von Weitervermietung könne keine Rede sein, entgegnet Annemarie Taborsky. Man überlege lediglich, künftig das erweiterte Weitergaberecht in Anspruch zu nehmen und zu beantragen, dass ihr Sohn in die Wohnung ihres Mannes zieht und dieser dafür in ihre Wohnung.

Für Norbert Walter, den Wohnbausprecher der Wiener VP, schreckt Wiener Wohnen nicht davor zurück, "Menschen in ihrer Existenz zu bedrohen".

Wie DER STANDARD vor kurzem berichtete, sah sich eine Bewohnerin des Karl-Marx-Hofes im 19. Bezirk mit den Vorwürfen konfrontiert, in ihrer Gemeindewohnung der Prostitution nachzugehen. Bei einer Begehung der Wohnung der jungen Frau wurde schließlich jeder Verdacht ausgeräumt. In einem Schreiben entschuldigte sich die städtische Hausverwaltung bei der Mieterin "für die entstandenen Unannehmlichkeiten" und bedankte sich für ihre "Kooperation". (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD, Printausgabe, 17.8.2010)