Wien - "Die ukrainischen Getreideexporteure wollen vom derzeit hohen Marktpreis profitieren", sagte der österreichische Handelsdelegierte Gregor Postl. Darum wolle Landwirtschaftsministerin Mykola Prysjaschnjuk die Preistreiberei der Händler mit Exportquoten unterbinden und so der Bevölkerung gravierende Teuerungen bei Lebensmitteln ersparen, die Regulierungen könnten am 15. September in Kraft treten.
Die Preise für Getreide seien in der Ukraine seit Juni um mehr als die Hälfte gestiegen. Solche Preisanstiege bei Nahrungsmitteln würden sich in der Ukraine stärker auswirken, schließlich sei deren Anteil am Warenkorb dort weit höher. Postl hob hervor, dass auch die Exportquoten zu höheren Preisen auf dem Weltmarkt führen würden. Auch laufende Verträge könnten bei den geplanten Beschränkungen teils nur schwer eingehalten werden. Zudem sei die Eigenversorgung mit Gerste und Weizen gesichert, hingegen seien die ukrainischen Lagerkapazitäten sehr bescheiden. Dass es ohne den russischen Exportstopp, der vergangenen Sonntag in Kraft getreten ist, auch zu Ausfuhrregulierungen in der Ukraine gekommen wäre, bezweifelt Postl.
Rigider Sparkurs
Schließlich hätten die Brände und Ernteausfälle in der Ukraine nicht jene Ausmaße wie in Russland. Die akkordierte Exportstrategie der beiden Länder habe eher innenpolitische Gründe. In der Ukraine habe die Inflation im ersten Halbjahr 2010 rund 3,9 Prozent betragen. Postls Prognose für das restliche Jahr beläuft sich auf zumindest 10 Prozent. Die Wirtschaftskrise habe die Inflationsraten nach oben getrieben (2008: 22,3 Prozent, 2009: 12,3 Prozent), die neue Regierung müsse zudem ohnehin rigide sparen. "Der internationale Währungsfonds hat Kredite um rund 15 Milliarden Dollar ausgestellt, deshalb muss man jetzt das Defizit reduzieren", so Postl.
Deshalb würden dem Land durch die Exportquoten auch wichtige Einnahmen entgehen. Gleichzeitig müsse der Inlandskonsum nach der krisenbedingten Entwertung der Landeswährung Hrywnja (seit Herbst 2008 rund 60 Prozent zum Euro) und den stark rückläufigen Stahlexporten aufrecht erhalten werden.
Commerzbank-Rohstoffanalyst Eugen Weinberg rechnet nicht mit neuen Rekordsprüngen der Kurse von Futures und Termingeschäften auf Getreide infolge der ukrainischen Exportquoten. Zwar hätte der bisherige Anstieg des Weizenpreises ohne Spekulation nicht die aktuellen Ausmaße, jedoch sei die Spekulation für die langfristige Preisentwicklung "irrelevant". Weinberg: "Die Quoten werden eher die Situation am physischen Markt langfristig beeinflussen." Dies würden insbesondere Entwicklungsländer stärker spüren - die Ukraine ist mit einem guten Drittel Weltmarktanteil am Getreidehandel ein wichtiger Exporteur für zahlreiche Länder in Afrika und Asien.
Anleger befürchteten außerdem, dass der Boden in Russland nach der Jahrhundert-Dürre für die neue Aussaat zu trocken sein könnte. Der September-Kontrakt für US-Weizen stieg um 2,5 Prozent auf 6,725 Dollar (5,221 Euro) je Scheffel. "Bevor die Preise deutlich fallen, benötigen wir die Bestätigung, dass die Aussaat in Russland und der Ukraine unter einigermaßen zufriedenstellenden Bedingungen verläuft", sagte Luke Mathews, Agarrohstoff-Stratege bei der Commonwealth Bank of Australia. Im Fahrwasser des Weizen stiegen Mais und Sojabohnen jeweils um etwa 0,3 Prozent auf 4,345 beziehungsweise 10,325 Dollar je Scheffel. Hier bremse aber die Aussicht auf eine US-Rekordernte den Anstieg, sagten Börsianer. (APA)