Auf das Wesentliche reduziert: gut ausschauen, schnell fahren. Der Porsche Boxster Spyder macht nicht alles selber, da darf man noch händisch das Dach zusammenfalten.

Foto: Christian Fischer

Cool mit Dach, noch schöner ohne. Der Stofffetzen erlaubt eine von praktischen Zwängen befreite Rückenpartie.

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Das ist der Türgriff: eine Schleife. Ganz basic, weil sportlich.

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Grafik: DER STANDARD

Der Zufall der Zahlen ist ein seltsamer: 1955 war das, die genaue Typenbezeichnung war Porsche 550, und 550 kg wog der Spyder damals. Dennoch enthielt sich Porsche der Gelegenheit, die 55 irgendwo im neuen Spyder einzubauen. Er heißt Porsche Boxster Spyder. Das Prinzip dahinter: Für etwas mehr gibt es etwas weniger. Dafür kann man sich auf James Dean berufen und sich auch so fühlen, wenn man will, sieht man einmal vom 30. September 1955 ab, an dem es ein jähes Ende gab.

Der neue Spyder ist im Vergleich zum sonstigen Boxster nicht nur stärker, er hat jetzt 320 PS statt 310, sondern auch deutlich leichter. Der Spyder wiegt jetzt 1275 Kilo. Und Porsche spart an allen Ecken und Enden: Klimaanlage gibt es keine, das ist ja auch ein Cabrio, das als solches gefahren werden sollte. Und dann erst das Dach, das gar kein richtiges ist. Ein echtes Fetzendach.

Die mögliche Höchstgeschwindigkeit von 267 km/h wäre mit dem Dach jedenfalls nicht möglich, das würde ein Unglück ergeben. Es ist ein Fetzendach, da gehen vielleicht 200 km/h, die 267 gehen nur ohne Dach.

Aber das Abnehmen. Des Daches. Es besteht aus zwei Teilen, da gibt es Knöpfe und Hebel, dann wird gefaltet und zusammengelegt, schließlich werden die Teile im Kofferraum verstaut. Im hinteren. Zugegeben, mit ein bisschen Übung stellt sich Routine ein, und dann geht das ruck, zuck. Mit drei Ausnahmen: Es schaut wer zu. Dann steigt man schon so schwer und ungeschickt aus dem Wagen aus, macht prinzipiell eine schlechte Figur, und dann klappt das auch mit dem Dach nicht.

Zweitens: Die einzige Regenwolke weit und breit zeigt auf einen. Die ersten Tropfen kommen, es müsste jetzt ganz schnell gehen, geht natürlich nicht.

Drittens: Es ist finster. Na viel Spaß. Und jetzt stellen Sie sich vor: Es schaut Ihnen jemand zu. Und es beginnt zu regnen.

Das sind aber, muss man ehrlich sagen, vernachlässigenswerte Details. Es geht ums Auto, ums Fahren, um das ganze ohne Dach.

Der Spyder fährt: schnell. Und er liegt. Er ist praktisch eins mit dem Popo. Sie lupfen die linke Backe, und der Spyder wird die Kurve auswischen, und wenn Sie ein bisschen rutschen möchten, lupfen Sie, und das Auto wird als verlängerter Hintern Ihres Popsches quer daherkommen, wie Sie aufreizender nicht arschwackeln könnten.

Sie stülpen sich praktisch in das Auto, wenn Sie es betreten. Dann können Sie cruisen, also unterwegs sein, im Regelfall ohne Dach. Und Sie können James Dean sein. Ohne Publikum. Nur er selber, auf der Suche nach dem Thrill, nach dem, was schärfer ist als man selbst. Das findet man hier leider relativ rasch, im doppelten Sinn der Bedeutung. Das Auto ist so schnell, dass die Gedanken immer ein bisschen der eigenen Intuition nachhängen. Schneller als Sie "Sport plus" sagen können, hat der Wagen in ebendiesem Modus zwei Gänge weitergehakelt, und Sie wundern sich noch über die Anzahl der Gänge. Theoretisch hält diese Automatik sieben be- reit, und praktisch stehen Sie schon mit beiden Füßen im Kriminal.

Unbändige Leistung kennt man ja von anderen Autos auch, ganz besonders von Modellen der Marke Porsche. Hier ist es sehr direkt und reduziert, sehr spürbar und auch bewegbar. Da wird nicht nur die große Keule geschwungen, da ist Platz für Raffinesse und Fahrwitz.

Das hängt auch damit zusammen, dass der Spyder auf das Wesentliche reduziert wurde, auf das Fahren, und das funktioniert erschreckend gut. Den Verzicht auf den großen Komfort bezahlen wir gerne extra: Knapp 80. 000 erscheinen uns milde. Wir wollen spüren.

Spüren etwa am Griff der Tür, keinem Griff, sondern einer roten Schlaufe. Sind wir nicht sportlich und ursprünglich? Wollen wir Chrom oder Speed?

Sind wir der, der wir sind, oder James Dean? Geht ein bisschen beides? Ganz ehrlich: In guten Momenten geht beides. Leichter geht es im Porsche Boxster Spyder, da reicht ein Wimpernschlag, ein Zupfen am Gaspedal, am Fahrrad bräuchte es da schon verdammt viel Fantasie. (Michael Völker/DER STANDARD/Automobil/20.08.2010)