Washington - Der Untersuchungsbericht des FBI wird North Carolinas Anwälte, Richter und Staatsanwälte noch Jahre beschäftigen: 190 Verurteilungen, teilweise wegen Mordes, müssen überprüft und vielleicht neu verhandelt werden. Der Grund: Über mehrere Jahre hat das Labor des State Bureau of Investigations bei Tatortuntersuchungen falsche oder unvollständige Ergebnisse geliefert.

80 Menschen, vier davon zum Tode verurteilt, können nun zumindest hoffen, wieder freizukommen. Für drei Verurteilte kommen die neuen Erkenntnisse zu spät: Sie wurden bereits hingerichtet.

Begonnen wurde die Untersuchung im Februar nach der Begnadigung Greg Taylers, der 17 Jahre im Gefängnis gesessen war - für einen Mord, den er nicht begangen hat. Special Agent Duane Deaver, der die Tatortspuren im Labor untersucht hatte, hatte in seinem Bericht verschwiegen, dass Blutspuren in Taylors Auto sich nach genaueren Tests als andere Flüssigkeit herausgestellt hatten.

Zwei FBI-Agenten wurden daraufhin damit beauftragt, über 15.000 Gutachten zu überprüfen, das Deavers Labor zwischen 1987 und 2003 erstellt hatte. "Der Bericht ist beunruhigend und beschreibt eine Praxis, die inakzeptabel war und ist", sagt Roy Cooper, oberster Strafverfolger North Carolinas und Initiator der Untersuchung. Die Vorwürfe der Ermittler sind in allen Fällen ähnlich: Die Ergebnisse von Bluttests wurden zurückgehalten oder falsch berichtet.

Testergebnisse verschwiegen

Erste Tests, die noch am Tatort klären sollen, ob es sich bei bestimmten Spuren um Blut handelt, gelten als sehr unzuverlässig. Im Labor werden daher immer weitere, genauere Tests der Flüssigkeit vorgenommen. Deaver und seine Kollegen sollen in den beanstandeten Fällen verschwiegen haben, dass die zweiten Tests andere Ergebnisse lieferten als die ersten. Acht Labormitarbeiter sollen solche falschen Berichte geliefert haben, vier arbeiten immer noch für das SBI.

In fünf Fällen soll Deaver in seinem Bericht sogar behauptet haben, die Testergebnisse seien gleich gewesen - obwohl sie unterschiedlich waren. Nach der Veröffentlichung des Berichts wurde er umgehend suspendiert. "Meine Chefs haben mir aufgetragen, den Bericht so zu schreiben", gab er zu Protokoll.

Der Bericht bestätigt diese Aussage teilweise. Schuld sei "eine Geisteshaltung des Sektionschefs, der die Staatsanwaltschaft als Kunden des Labors sah und daher der Meinung war, Berichte sollten vor allem nach den Bedürfnissen der Staatsanwaltschaft geschrieben werden."

Dabei seien die unterschiedlichen Ergebnisse nicht einmal versteckt worden: "Jeder, der Zugang zu den Labornotizen hatte, hätte die Ungereimtheiten entdecken können", steht in dem Bericht. Es sei nicht gesichert, dass aufgrund der zurechtgebogenen Laborergebnisse Unschuldige verurteilt wurden - allerdings könnten aufgrund der Testergebnisse Geständnisse von Angeklagten oder das Strafmaß beeinflusst worden sein, schreiben die Agenten.

Bereits vor einigen Wochen hatte eine Lokalzeitung in North Carolina darüber berichtet, dass andere SBI-Agenten unwissenschaftliche Ermittlungsergebnisse im Sinne der Staatsanwaltschaft geliefert hätten. SBI-Direktorin Robin Pendergraft war daraufhin entlassen worden. (tob, DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.2010)