Wien - Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) hat am Freitag ihre Offensive zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Korruption präsentiert. Ein Kernpunkt dabei ist die bereits angekündigte "Kronzeugenregelung". Sie soll bereits per 1. Jänner 2011 in Kraft treten. Weitere Maßnahmen betreffen die Einrichtung von Wirtschaftskompetenzzentren und mehr Transparenz bei Entscheidungen der Staatsanwälte.

Die Ministerin lädt außerdem zu einem Justizgipfel in der ersten Oktoberhälfte. Zum Justizgipfel geladen sind sowohl Justizorgane als auch Fachleute von außen. "Wirtschaftsverfahren werden immer komplexer. Wir müssen daher aufrüsten im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption", betonte die Ministerin.

  • 40 Staatsanwälte für komplexe Wirtschaftsthemen

Das Maßnahmenpaket umfasst insgesamt fünf Punkte. Neben dem Justizgipfel sollen sich österreichweit künftig mindestens 40 Staatsanwälte um komplexe Wirtschaftsfälle kümmern. Im kommenden Jahr werden deshalb ab 1. Juni 2011 in Wien, Graz, Innsbruck und Linz vier Wirtschaftskompetenzzentren unter dem Dach der bestehenden Staatsanwaltschaften eingerichtet. Mindestens 40 Kräfte werden dort für Fälle wie Betrug, Untreue oder Förderungsmissbrauch zuständig sein, die eine Schadenssumme von fünf Mio. Euro übersteigen. Auch organisierte Schwarzarbeit, Pyramidenspiele, bei denen eine größere Zahl geschädigt wurde, Bilanzdelikte, Finanzstraftaten oder Geldwäscherei fallen in ihren Zuständigkeitsbereich.

Die dort tätigen Staatsanwälte sollen speziell ausgebildet sein. So könnte sich die Ministerin vorstellen, dass sie während ihrer Ausbildung etwa auch in der Finanzmarktaufsicht oder in der Rechtsabteilung von Unternehmen Praxis sammeln. Auch sollen vermehrt externe Experten zugezogen werden. Bandion-Ortner rechnet damit, dass die neuen Zentren pro Jahr mit rund 800 Fällen beschäftigt sein werden. Nachdem dem Justizressort eine Personalaufstockung von 151 Planstellen zugesagt worden ist, werden die Ressourcen hier zum Einsatz gebracht, so die Ressortchefin. 

  • Mehr Transparenz

Eine weitere Maßnahme der Offensive betrifft die Transparenz von Staatsanwalts-Entscheidungen. Demnach sollen Opfer künftig erfahren, aus welchen Gründen ein Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Auch der unabhängige Rechtsschutzbeauftragte werde besser eingebunden, wenn es kein Opfer gibt. Er soll auch den Obersten Gerichtshof anrufen können. Werden Verfahren von besonderem öffentlichen Interesse eingestellt, wird die Begründung im Internet veröffentlicht - unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes. 

  • Verschärfter Zugriff auf kriminelles Vermögen

Die Verschärfung des Zugriffs auf kriminelles Vermögen betrifft den vierten Punkt des Maßnahmenpakets. Bis jetzt war es laut Bandion-Ortner nur möglich, Bereicherungen aus Straftaten nach dem sogenannten Nettoprinzip abzuschöpfen. Das heißt, Aufwendungen des Täters etwa mussten vom Vermögen abgezogen werden. Künftig soll das Bruttoprinzip gelten, bei dem Aufwendungen nicht berücksichtigt werden. Sämtliche Vermögenswerte sind vom Gericht für "verfallen" zu erklären. Im neuen Wirtschaftskompetenzzentrum Wien werden spezialisierte Staatsanwälte damit beschäftigt sein, Vermögenswerte aufspüren, kündigte die Ministerin an.

Am Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwälten hält Bandion-Ortner weiterhin  fest. "Es gibt keine bessere Lösung", erklärte sie. "Das jetzige System ist so gut, dass es keinen Missbrauch geben kann. Das ist ein sehr transparentes System", betonte sie.

SPÖ: "Ein sehr kleiner Schritt"

Die Industriellenvereinigung (IV) begrüßt die Einrichtung von vier Wirtschaftskompetenzzentren, die Grünen hingegen sehen im Paket die "Auflistung eigener Versäumnisse" der Justizministerin.

"Die heute, aufgrund des erheblichen medialen Drucks, vorgeschlagenen Maßnahmen der Justizministerin sind ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings ist dies ein sehr kleiner Schritt, der nicht ausreichend ist, um die dringend notwendige Beschleunigung der Verfahren zu bewirken", erklärte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim.  Unerfreulich sei hingegen, dass die großen Wirtschaftsverfahren - "Stichworte Grasser, Plech" - noch nicht beschleunigt worden seien. (APA)