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Was vor wenigen Jahren nur hinter verschlossenen Türen besprochen und letzten Endes auch durchgeführt wurde, ist mittlerweile, so scheint es zumindest in der virtuellen Welt, längst kein Tabuthema mehr: Viele Gynäkologen informieren auf ihren Homepages über die Wiederherstellung des "Jungfernhäutchens", erläutern den Eingriff und weisen darauf hin, dass er auch in ihren Ordinationen durchgeführt wird. Trotzdem ist der Versuch, von den jeweiligen Ordinationen genauere Informationen - wie etwa über die Dauer des Eingriffes oder die damit verbundenen Kosten - zu erhalten, wenig erfolgreich. Man(n) hüllt sich hartnäckig in Schweigen, auch wenn das Thema auf den Ordinationsseiten noch so prominent präsentiert wird.

Heikles Thema

So bietet beispielsweise ein Gynäkologe auf seiner Homepage neben der Verkleinerung von Schamlippen, der Erweiterung bzw. Verengung der Scheide und der G-Punkt-Verstärkung auch die Rekonstruktion des "Jungfernhäutchens" an. Die Unterseite "Hymen Rekonstruktion" informiert die LeserInnen darüber, dass nicht nur der erste Geschlechtsverkehr, sondern auch Sport, Stürze und Unfälle das Hymen verändern können. Eine "Wiederherstellung" des Jungfernhäutchens sei jedoch mit "plastisch-chirurgischen Techniken" möglich. Am Telefon gibt sich die Sprechstundenhilfe bedeckt, sie könne "telefonisch keine Auskünfte" geben. Außerdem sei der Herr Doktor gerade nicht da, sie selbst könne dazu nichts sagen. Nichts dazu sagen kann man auch in den nächsten drei Ordinationen. Telefonisch würde er sich "zu diesem heiklen Thema sicher nicht" äußern, so ein Arzt.

"Können Sie das auch umgekehrt?"

Werner Grünberger hingegen, Gynäkologe und Gründer der ersten First-Love-Ambulanz, ist sofort gesprächsbereit. Die erste "Re-Virginisierung", wie die Wiederherstellung des "Jungfernhäutchens" im Fachjargon bezeichnet wird, habe er im Jahr 1986 durchgeführt, erinnert er sich. Während seiner Vorlesung habe er damals zu Anschauungszweckem bei einem Mädchen, dessen Gesicht mit einer Maske verdeckt war, das verschlossene Hymen mit einem Messer geöffnet. Nach der Vorlesung sei eine persische Studentin auf ihn zugekommen und habe gefragt: "Können Sie das auch umgekehrt?" Die Medizinstudentin stand kurz vor Abschluss des Studiums und der damit verbundenen Rückkehr nach Persien und hatte "in ihren Wiener Jahren ihre Jungfräulichkeit verloren" - Grünberger "gab sie ihr wieder".

"Jungfernmacher"

Insgesamt hat er den Eingriff "bei ungefähr 200 Mädchen und Frauen" gemacht, "niemals leichtfertig", wie er betont. Er habe, ganz im Gegenteil, die meisten Mädchen, die ihn wegen der Wiederherstellung ihres Hymens konsultiert haben, davon überzeugen können, den Eingriff nicht machen zu lassen. Operiert habe er lediglich in "einem von drei Fällen", wenn es triftige Gründe gegeben habe, wenn "aus kulturellen oder religiösen Gründen" das Leben der Patientin auf dem Spiel gestanden sei. Trotzdem sei er in den Medien "Jungfernmacher" genannt und als "geldgierig dargestellt" worden.

"Ein paar Hundert bis ein paar Tausend Euro"

Wie viel eine Re-Virginisierung heute kostet, kann Grünberger nicht genau sagen, da er selbst den Eingriff seit mehreren Jahren nicht mehr durchführt. Die dafür berechneten Preise würden jedoch enorm variieren: "von ein paar Hundert bis ein paar Tausend Euro". Die Frage, was den Unterschied zwischen den "paar Hundert" und den "paar Tausend Euro" ausmacht, kommentiert der Gynäkologe lachend. "Nichts", antwortet er schließlich - wer mehr habe, würde eben auch mehr dafür bezahlen.

Verdinglichung des weiblichen Körpers

In erster Linie würden sich jene Mädchen und Frauen, die in traditionellen Familien aus patriarchalisch geprägten muslimischen oder christlich-konservativen Gesellschaften leben, für den Eingriff interessieren, so Grünberger. In solchen Gesellschaften gilt ein intaktes Hymen zum Zeitpunkt der Eheschließung nach wie vor als Beweis für die Keuschheit der Frau.

Genau hier setzt die aus feministischer Perspektive formulierte Kritik ein: Die Rekonstruktion des Hymens reproduziere die Normierung und damit die Verdinglichung des weiblichen Körpers, so die türkische Soziologin Dilek Cindoglu. Der Eingriff diene letztlich dazu, den patriarchalischen Diskurs über den Körper und das Verhalten der Frauen fortzusetzen, was durch eine zutiefst patriarchalische Argumentation gerechtfertigt werde, indem betont würde, dass Man(n) der Frau mit der "Wiederherstellung der Jungfräulichkeit nur helfen und sie beschützen wolle. (Meri Disoski, 20. August 2010, daStandard.at)