"Erst das Land, dann die Partei", hat der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einmal gesagt. Diese Maxime brachte den Deutschen harte Einschnitte in ihr Sozialsystem, die noch heute unter dem Namen "Hartz IV" subsummiert werden.

Fünf Jahre nach deren Einführung sind sich Experten einig: Im Detail war manches ungerecht, die grobe Linie aber stimmte. Die SPD allerdings litt fürchterlich und hat sich davon bis heute nicht wirklich erholt.

Der zweite "Schlag" für sie kam 2007, als der damalige Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) gegen den Widerstand vieler Genossen die Anhebung des Pensionsalters von 65 auf 67 Jahre durchsetzte. Auch dies war ein schwerer Schritt für die SPD, für das deutsche Pensionssystem jedoch ein unumgänglicher. Denn immer weniger Beitragszahler müssen immer mehr Pensionisten schultern, was auf Dauer nur mit Einschnitten aufrecht zu erhalten ist.

Jetzt legt Schröders Ziehsohn Sigmar Gabriel den Rückwärtsgang ein. Der SPD-Chef beerdigt gerade die "Rente mit 67" . Erst wenn 50 Prozent aller 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, soll das Pensionsalter steigen, sagt er. Das dürfte dann am St. Nimmerleinstag sein, denn derzeit liegt die Quote bei 23,8 Prozent. Tendenz: Zwei Prozent Steigung pro Jahr. Aber so muss man vermutlich handeln, wenn eine Maxime ins Gegenteil gekehrt wird und nun lautet: Erst die Partei, dann das Land. (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2010)