In Deutschland begräbt die SPD auf Drängen von Parteichef Sigmar Gabriel die "Rente mit 67" , die sie in der großen Koalition mit CDU/CSU beschlossen hat. Kritik kommt von Ex-Vizekanzler Franz Müntefering.

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Berlin - "Die Rente mit 67 muss weg!" Traten Gewerkschafter und Vertreter des linken Flügels der SPD zu Protestkundgebungen an, dann war diese Forderung in den vergangenen Jahren eine ihrer zentralen. Die Spitze der deutschen Sozialdemokraten hat dem jetzt nachgegeben, wenn auch nicht in einer so simplen Formel.

Der von Parteichef Sigmar Gabriel durchgesetzte Kompromiss, den die oppositionelle SPDkünftig vertreten wird, sieht so aus: Zunächst wird die schrittweise Anhebung des Pensionsalters von 65 auf 67 Jahre nicht wie geplant im Jahr 2012 begonnen, sondern frühestens im Jahr 2015. Und es gibt noch einen Zusatz: Die Erhöhung des Pensionsalters wird auch 2015 nur gestartet, wenn zu diesem Zeitpunkt mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Diese Quote jedoch ist praktisch nicht erreichbar. 2009 lag der Anteil laut Bundesagentur für Arbeit (BA) bei 23,8 Prozent, im Jahr davor bei 21,5 Prozent.

Vor allem die Partei-Linke drängte auf Änderung. Sie ist mit dem Kompromiss zufrieden, weil de facto die Abschaffung der "Rente mit 67" erreicht wurde. Ex-Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), der "Vater" der Reform, wirft Gabriel hingegen ein "defensives Signal" vor, das für die "Glaubwürdigkeit von SPD und Politik insgesamt" nicht gut sei.

Streit gibt es auch ums Procedere: Die Partei-Linken fordern für die neue Pensionspolitik einen Parteitagsbeschluss, das lehnt die SPD-Spitze aber ab. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) versichert, dass die schwarz-gelbe Regierung die "Rente mit 67" wie geplant ab 2012 durchsetzen werde. (bau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.8.2010)