Standard: Wer St. Pauli sagt, sagt im nächsten Atemzug "kultig". Wieso ist der FC St. Pauli ein Kultverein?

Weber: Das liegt in erster Linie an den Fans. Die sind unbeschreiblich. Der Fanbeauftragte hat einmal das Flutlicht aufgedreht, obwohl kein Match angesetzt war, und dennoch kamen 3000 Leute. Nur weil sie das Licht sahen und wissen wollten, was los ist. Die Leute sind begeistert ohne Ende.

Standard: Inwiefern ist diese Begeisterung anders als sonst wo?

Weber: Sie hängt nicht so sehr vom Ergebnis ab. Wir haben daheim einmal 3:4 verloren, sind aber angerannt, haben alles probiert, halt ohne Erfolg. Trotz der Niederlage gab's Standing Ovations. Ich war mit dem FC Tirol als Ersatzgoalie zweimal Meister. Aber die Saison bei St. Pauli ist sicher das Highlight meiner Karriere.

Standard: Der FC St. Pauli definiert sich nicht zuletzt dadurch, dass er sehr konkret gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit auftritt. Merkt man das als Spieler?

Weber: Das ist großartig, dass der Verein schon seit vielen Jahren solche Zeichen setzt. Man merkt es allein schon am Publikum, das gemischt ist wie nirgendwo sonst. Da sitzt der Rechtsanwalt neben der Prostituierten, dem Häfnbruder und dem Punk. Und bei einem Tor fallen sich alle um den Hals.

Standard: Gibt es in Österreich Vergleichbares?

Weber: Vom Fanatismus her höchstens bei Rapid und in Ansätzen bei Sturm Graz. Bei St. Pauli hatten wir im Schnitt fast 19.000 Fans. Und kein Gegner wird beschimpft, es wird höchstens gespottet mit witzigen Plakaten und Sprechchören. Da hört man praktisch nichts, was man nicht auch einem Kind zumuten könnte. Deshalb kommt zu St. Pauli auch die Oma mit ihrem Enkel. Beim Wiener Sportklub sind die Fans auch in diese Richtung unterwegs, aber der Rahmen ist schon ein anderer.

Standard: Erinnern Sie sich an die Anzeigetafel, die St. Pauli hatte?

Weber: Die war legendär. Eine manuelle Anzeigetafel hinter dem Tor, wohl die letzte im Profifußball. Nach jedem Treffer hat einer die Nummern ausgetauscht. Der hat wahrscheinlich ein Bier dafür gekriegt. Aber auch er war ein Teil des Kults. Seit 2007, wegen des Stadionumbaus, hat auch St. Pauli eine elektronische Anzeigetafel.

Standard: Verfügt St. Pauli über besonders viele kreative Geister?

Weber: Vor allem sind es Leute mit viel Herzblut für ihren Verein. Als St. Pauli vor dem Konkurs stand, hat die sponsernde Brauerei den Bierpreis erhöht, die Differenz sollte an den Klub gehen. Und die Leute auf dem Kiez haben genauso weitergetrunken, weil es ja für St. Pauli war. Oder die Aktion mit den T-Shirts, die tausendfach weggegangen sind, eines mit dem Aufdruck "Retter", das andere mit "Weltpokalsiegerbesieger".

Standard: "Weltpokalsiegerbesieger" spielte darauf an, dass St. Pauli die Bayern bezwang, nachdem diese die Champions League und den Weltpokal gewonnen hatten. Da waren Sie aber nicht mehr bei St. Pauli, obwohl Sie in der Aufstiegssaison 2000/2001 glänzend hielten und hinter Andreas Köpke zum zweitbesten Goalie der zweiten Liga gewählt wurden. Wieso haben Sie nicht verlängert?

Weber: Ich wollte bleiben, St. Pauli wollte mich halten. Der FC Tirol, der mich nur verliehen hatte, wollte aber fast 1,5 Millionen Euro für mich, das war eindeutig zu viel. Dabei gab's in Innsbruck eh etliche Goalies - Ziegler, Tscher-tschessow, Hassler. Ich musste zurück, auf die Ersatzbank. Wenige Monate später kam der Tirol-Konkurs. Derweil ist St. Pauli sofort wieder abgestiegen, und viele dort haben gesagt, dass es mit mir nicht so schlecht gelaufen wäre. Der Fußball ist oft unergründlich.

Standard: Mittlerweile sind Sie in der Regionalliga gelandet. Gibt es in Klagenfurt irgendetwas, das Sie an St. Pauli erinnert?

Weber: Immerhin spiele ich im schönsten Stadion Österreichs und bei einem Verein, der sich entwickeln kann. Die Austria Klagenfurt war einmal Kult, und sie soll wieder Kult werden. Die Dimension wird halt sicher eine kleinere sein. (DER STANDARD PRINTAUSGABE 20.8. 2010)