Berlin - Mit schüchternem Blick stellte sich Caster Semenya dem Blitzlichtgewitter. Immer wieder senkte sie am Freitag auf der Pressekonferenz im Vorfeld des Berliner Leichtathletikmeetings fast ein wenig beschämt ihren Blick. "Ich bin sehr glücklich, wieder hier zu sein", sagte die 19-Jährige mit leiser Stimme. Viel mehr war ihr nicht zu entlocken. Semenya wird am Sonntag der große Star im Olympiastadion sein. Dort war die Südafrikanerin vor gut einem Jahr Weltmeisterin über 800 Meter geworden. Dort begann aber auch eine in der Leichtathletik noch nie dagewesene Affäre.

Das Stadion wird Semenya ihr Leben lang mit einem Jahr voller Scham, Verzweiflung und teilweise entwürdigender Schlagzeilen verbinden. Unmittelbar vor dem WM-Finale wurde bekannt, dass der Weltverband IAAF wegen ihres männlichen Erscheinungsbildes einen Geschlechtstest angeordnet hat.

Es sollte eine lange Zeit vergehen, bis Klarheit über Semenyas Geschlecht herrschte. Erst drei Monate nach ihrem Goldlauf wurde sie als Weltmeisterin bestätigt, erst am Anfang Juli teilte die IAAF mit, dass Semenya uneingeschränkt an internationalen Wettkämpfen teilnehmen darf. In der Zwischenzeit hatten Gerüchte die Runde gemacht, Semenya sei ein Zwitter.

Fragen zu ihrer Leidenszeit lässt Semenya vorzugsweise ihren Manager Jukka Härkönen beantworten. "Es war keine einfache Zeit für sie. All diese Geschichten im Fernsehen zu sehen, all ihre Erfolge wurden mit Füßen getreten", sagte der Finne.

Auf eine Schadenersatzklage gegen die IAAF will Semenya verzichten. Doch die elfmonatige Odyssee zum Ergebnis des Geschlechtstests ruft viele Zweifler auf den Plan. "Ich habe keine Ahnung, warum das so lange gedauert hat. Sie sollte ja schon im März wieder starten dürfen, doch dann kam im letzten Moment die Absage", sagte Härkönen.
Streng vertraulich

Zum noch immer anhaltenden Trubel trägt auch die Intransparenz der IAAF bei, die die Ergebnisse des Tests nicht offenlegen will. Die medizinischen Einzelheiten seien streng vertraulich, ließ der Verband verlauten.

Schenkt man Semenya Glauben, dann ist all das Vergangenheit. "Ich habe diese Sache schon lange vergessen", sagt sie. Ihr Trainer Michael Seme will sie einfach nur laufen lassen. Nur dadurch könne sie den Weg zurück in ein normales Leben finden. Die Erwartungen versucht er so niedrig wie möglich zu halten.

Semenyas bisherige Zeiten lagen weit über den 1:55,45 Minuten, die sie bei ihrem Goldlauf geschafft hatte. Bei ihrem Comeback bei den finnischen Rennen in Lappeenranta und Lapinlahti blieb sie stets über zwei Minuten. "Deshalb ist es mein Ziel für Berlin, unter zwei Minuten zu bleiben."

Semenya und ihr Manager setzen vor allem auf das Berliner Publikum. Härkönen: "Ich hoffe sehr, dass sie herzlich empfangen wird. Genauso herzlich wie vor einem Jahr bei der WM."

Außer Frage bleibt, dass Semenya das Zugpferd des Meetings sein wird und nicht Stabhochsprung-Olympiasieger Steve Hooker oder Diskus-Weltmeister Robert Harting. 48.000 Zuschauer werden im Olympiastadion erwartet. So viele wie zu keinem anderen Meeting der Welt. (sid, red - DER STANDARD PRINTAUSGABE 20.8. 2010)