Das „ViertelZwei" beim Wiener Prater ist eines der Lieblingsprojekte von Rudolf Schicker. Als derStandard.at den Wiener SP-Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr in einem neuen Planungsgebiet treffen wollte, das er für besonders gelungen hält, musste er nicht lange überlegen. Und mit dem richtigen Wetter kann man sich ganz gut vorstellen warum: Es ist ein strahlend sonniger Tag, im künstlich angelegten See kühlen einige Angestellte ihre Füße, ein paar Anzugträger schlendern mit einer Eistüte vorbei, auf den schattigen Bänken werden Rauchpausen eingelegt. Wenn etwas die Idylle stört, dann ein leichter Geruch nach Pferdeäpfeln - die nahe Trabrennbahn Krieau wirft ihre olfaktorischen Schatten.
U2 bis vor die Bürotür
Und noch etwas ist, gerade im Vergleich zu anderen neuen Wohn- und Arbeitsgebieten, bequem: Die U2 fährt quasi bis vor die Bürotür. „Ohne die U-Bahn würde es dieses Viertel in der Form nicht geben", schwärmt Schicker. Die Kritik, dass die Züge - wie auch bei anderen U-Bahnen die in die "Peripherie" hinausführen - auf den letzten paar Stationen oft recht leer sind, kontert Schicker: "Klar gibt es Stoßzeiten, wie bei allen Verkehrsmitteln. Damit muss man leben". War es ein Planungsfehler, U-Bahnen soweit an den Stadtrand hinauszuführen? "Nein, die Planungen waren durchdacht. Auch in Zukunft muss man weiterhin genau schauen, wo eine U-Bahn hingebaut werden soll. Gegenden mit lauter Einfamilienhäusern sind natürlich keine gute Idee".
Wächst Wien weiter?
Wenn die aktuellen Streckenplanungen, also die U1-Verlängerung nach Rothneusiedl und die U2 Richtung Aspern, fertig sind, müsse man langfristig erst mal beobachten ob Wien weiter wachse. "Davon hängt es ab, ob man innerstädtische Ergänzungen vornehmen muss". Gibt es etwa doch noch die Chance, dass Wien einmal eine U5 beherbergt? "Unmöglich ist gar nichts, diese Streckenbezeichnung ist jedenfalls noch nicht vergeben".
Ein anderes Öffi hat dafür keine guten Karten mehr: Der Cable Liner, eine Art Standseilbahn, die für den neuen Wiener Hauptbahnhof überlegt wurde. Dann stellte sich heraus, dass das Projekt viel teurer wäre als geplant - jetzt rücken die Investoren vom Projekt ab. Wie die Verbindung zwischen U-Bahn und Bahnhof jetzt aussehen wird, nachdem immer wieder Kritik laut wurde, dass es keinen direkten Anschluss gibt? "Für die Erste Bank - Zentrale wird es das Beste sein, die S-Bahn-Station Südbahnhof zu adaptieren. Der Hauptbahnhof selbst hat ja den Anschluss an die U1. Es sind vom Bahngleis bis zur U-Bahn 335 Meter, keine fünf Minuten Fußweg", meint Schicker. So eine "Chill-Out-Strecke" sei an Orten, an denen viele Menschen aufeinandertreffen, ohnehin sinnvoll.
Grünraum, Freiraum, Wohnraum
Schicker ist in freundlicher Wahlkampfstimmung, aber ein Hauch von Unmut huscht über sein Gesicht, wenn es um die Kritik an Bauvorhaben, etwa am Monte Laa, geht. Dort beschweren sich gerade Anrainer, dass statt einem ursprünglich geplanten Turm drei neue gebaut werden - zu viel Schatten würden sie auf die bestehenden Wohnungen werfen, zu eng werde es außerdem. Schicker seufzt. "Das ist ein typisches Problem. Die, die bereits wo eingezogen sind, beschweren sich - und vergessen dass auch andere Wohn- und Lebensraum brauchen". Im Fall Monte Laa sei den Anrainern außerdem von Vornherein bekanntgegeben worden, wie in Zukunft gebaut werde.
Ein Kritikpunkt, der in Anrainerdebatten diverser neuer Projekte oft kommt: Es werde zu wenig Grün- und Freiraum gelassen. Schicker dazu: "Wir haben uns in Wien entschieden, große zentrale Grünbereiche einzurichten, die nicht dem einzelnen Wohnraum zuzurechnen sind". Im Klartext: Tendenziell weniger, aber größere Parks statt viele kleinere Grüninseln. Diese dichte Verbauung, meint Schicker, garantiere auch günstigere Mietpreise. "In München muss jedem Bewohner 23 Quadratmeter Grünraum in der Nähe zur Verfügung stehen - das macht Wohnen wahnsinnig teuer", so Schicker.
"Autofahrer haben sich längst an Radfahrer im Straßenverkehr gewöhnt"
Als Vorbild, für radikale Verkehrspolitik, nennt der Planungsstadtrat New York. Und wieso? Wegen der Radfahreroffensive. "New York ist da viel, viel härter beim Setzen von Maßnahmen Da wird von sieben Fahrstreifen einfach einer zum Radweg gemacht." Von denen hätte Schicker nämlich gerne mehr in der Stadt. In Wien sei das aber wegen der dichten Verbauung und enger Straßen nicht so einfach. Gerade in Gründerzeitvierteln mit den engen Straßen ist ein gedeihliches Miteinander von Auto und Rad unabdingbar, so Schicker. Angst vor der Autofahrer-Lobby, Herr Stadtrat? "Aber nein, Autofahrer haben sich längst an Radfahrer im Straßenverkehr gewöhnt", winkt Schicker ab. "Natürlich schimpfen sie, aber sie haben sich arrangiert".
Wer Fahrradfahren fördert, müsste doch stringenterweise Autofahren zurückschrauben wollen - wann kommt also der komplett autofreie Erste Bezirk? "Bereits in den letzten Jahren ging der Autoverkehr kontinuierlich zurück. Der 1. Bezirk wird meiner Ansicht nach aber nie komplett autofrei werden", so Schicker. "Wenn wir wollen, dass der Erste weiterhin Wohn- und Arbeitsbezirk ist, dann ist eben auch ein Bedarf an Autoverkehr und privatem Autobesitz". Allerdings wünscht er sich mehr autofreie Plätze, etwa am Josefsplatz und Heldenplatz oder am Neuen Markt und Hohen Markt. "So schöne Plätze, komplett zugestellt - wie schön wäre das, wenn wir da die Autos weghätten", philosophiert Schicker.
Nun denn, einfach umwidmen, könnte man meinen - Aber da nützt den Wiener Roten nicht einmal ihre Absolute: Viele Innenstadt-Plätze sind Bundesgrund. Und da hat dann auch der Koalitionspartner mitzureden. (Anita Zielina, derStandard.at, 24.8.2010)