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Foto: APA/EPA/Franck Robichon

Die starke Währung wird immer mehr zu einem Problem für die Exportindustrie im Land der aufgehenden Sonne. Job- und Werks- verlagerungen ins Ausland werden befürchtet.

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Tokio - Japans Regierung steigert die verbalen Wechselkursintervention, um den Höhenflug des Yen zu stoppen. In einem seltenen direkten Gespräch tauschten sich Japans Ministerpräsident Naoto Kan und Notenbank-Gouverneur Masaaki Shirakawa am Montag morgen 15 Minuten lang telefonisch über die wirtschaftlichen Auswirkungen des jüngsten Anstiegs des Yen aus, teilte gestern Kabinettamtschef Yoshito Sengoku mit.

Geholfen hat es allerdings nicht, blieb die Geste doch weit hinter den Erwartungen zurück. So sollen sich Kan und Shirakawa Sengoku zufolge noch nicht einmal über die Möglichkeit einer Devisenintervention zur Schwächung des Yen unterhalten haben. Ein persönliches Treffen sei allerdings weiterhin möglich, sagte Sengoku. Der Dollar tänzelte daher weiterhin um 85 Yen, während der Euro seine Talfahrt wieder aufnahm und von 108,65 zu Mittag auf 108,09 Yen abrutschte. Japans Regierung zieht derzeit alle verbalen Register, um den Yen schwachzureden. Denn die Yen-Stärke droht sich immer mehr zu einem Problem für Japans Konjunkturmotor, der Exportindustrie, und damit der Volkswirtschaft auszuwachsen. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal nur noch um 0,1 Prozent höher als im ersten ausgefallen ist, macht sogar wieder die Angst vor einem Rückfall in die Rezession die Runde.

Unternehmensvertreter warnen zudem, dass sich die Verlagerung von Jobs und Investitionen ins Ausland beschleunigen könnte, wenn der Yen nicht bald wieder sinken sollte. Schließlich können die meisten Exporteure beim jetzigen Dollarstand kaum oder keinen Gewinn mit Waren "Made in Japan" erzielen. Folgerichtig sank der Schlusskurs des Nikkei-Aktienpreisdurchschnitts am Montag um 0,7 Prozent auf den Jahrestiefstand von 9116,69 Yen.

Hilfe kann Japan von zwei Seiten erhalten. "Mit dem einen Auge schauen die Devisenmärkte auf die US-Konjunkturdaten, mit dem anderen anscheinend auf die Antwort der japanischen Regierung auf die Yen-Stärke", meint Taisuke Tanaka, Wechselkursstratege der japanischen Investmentbank Nomura.

Den Handlungsspielraum der Regierung halten er und andere Experten allerdings für gering. Für große Wechselkursinterventionen wie im Jahr 2004 dürfte Japan dieses Mal kaum die Zustimmung der USA und Europas erhalten. Denn die exportfördernde Schwäche ihrer Währungen werden vom von der Schuldenkrise geplagten Europa und von US-Präsident Barack Obama, der vor den Kongresswahlen im November jede gute Wirtschaftsnachricht brauchen kann, begrüßt.

Für die Alternative, eine weitere radikale Lockerung der Geldpolitik durch die Bank von Japan, fehlte Notenbank Shirakawa bisher noch der Wille. Und derzeit von der Regierung diskutierte Konjunkturprogramme dürften angesichts der Staatsverschuldung von bereits 200 Prozent des BIPs kraftlos ausfallen.

Solange die Märkte ihre düstere Beurteilung der US-Konjunktur nicht ändern, bestehe daher weiter das Risiko einer Yen-Aufwertung, meint Tanaka. Unkenrufer halten es sogar für möglich, dass der Dollar seinen historischen Tiefstand von 79,75 Yen aus dem Jahr 1995 durchbricht. (Martin Kölling aus Tokio, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.8.2010)