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Der Verbund muss weiterhin auf den Sanktus der Regierung für die Kapitalerhöhung um eine Milliarde Euro warten, von der die Republik mehr als die Hälfte beisteuern müsste. Die Verbund-Kapitalerhöhung hat es am Dienstag nicht auf die Tagesordnung des ersten Ministerrats nach der Sommerpause geschafft. Verkehrsministerin Doris Bures fordert als Gegenleistung Staatshilfe für die Bahn, bei der das Eigenkapital bedrohlich schwindet.

Wien – Die SPÖ macht mit ihrer Forderung nach staatlicher Hilfe für die ÖBB Ernst. Jedenfalls blockierte sie in der Koordinierungssitzung für den für heute, Dienstag, anberaumten Ministerrat die von der ÖVP forcierte Kapitalerhöhung beim Verbund. Beide Regierungsparteien bestätigen, dass es zu keiner Einigung kam. Der Standpunkt von Verkehrsministerin Doris Bures (SP): Wenn der hochprofitable Stromriese Staatsgeld erhalte, könne man die finanziell arg strapazierte Bahn nicht allein im Regen stehen lassen.

Wie berichtet hat sich die Debatte über die rund 510 Mio. Euro schwere Spritze durch den öffentlichen 51-Prozent-Aktionär des Verbund verschärft. Die SPÖ sah Ungleichbehandlung, weil neben der Bahn auch andere Infrastrukturunternehmen keine öffentlichen Mittel erhalten. War ursprünglich auch die OMV ein Thema, ging es zuletzt nur noch um die ÖBB. Deren Reduktion der Eigenkapitalquote auf neun Prozent 2009 gilt als Alarmsignal, zumal der Rahmenplan weitere Milliarden-Projekte auf Pump vorsieht.

Die Idee des Verkehrsministeriums, die vom Bahnmanagement befürwortet wird: Der Bund verzichtet auf hohe Rückzahlungsforderungen, mit denen die Bahn beim Pflegegeld und wegen Fahrtbegünstigungen für ÖBB-Mitarbeiter und -Pensionisten konfrontiert ist. Über die Höhe gibt es verschiedene Aussagen. Die Bahn hat 300 Mio. an Rückstellungen gebildet, in der Bilanz werden Berechnungen von bis zu 1,2 Mrd. angestellt, die unrealistisch seien.

Keine Einigung

Jedenfalls war mit der ÖVP in dieser Frage keine Einigung zu erzielen. "Völlig unakzeptabel" , heißt es aus der Umgebung von Vizekanzler Josef Pröll. Es handle sich um Abgabenverfahren, die von der Politik nicht einfach abgedreht werden können. Wie soll es weitergehen? Die Rede ist von einem Treffen aller Aktionäre – neben der Republik die Landesversorger Wiens, Niederösterreichs und Tirols sowie Vertreter des Streubesitzes – Anfang September. Bei einer Einigung könnte der Zeitplan eingehalten werden; der Stromkonzern plant, die außerordentliche Hauptversammlung für die Maßnahme am 22. September abzuhalten. Dabei dürften auch Strombezugsrechte der drei Aktionäre eine Rolle spielen.

Die Kapitalerhöhung von einer Mrd. Euro, die für den Ausbau der Wasserkraft und der Netze verwendet werden soll, stößt nicht nur auf Widerstand der SPÖ. Wie berichtet hat Kleinaktionärsvertreter Wilhelm Rasinger bemängelt, mit dem Schritt sollen Fehlinvestitionen im Ausland zugedeckt werden. Wegen internationaler Akquisitionen und Energieprojekten verdoppelte sich der Verschuldungsgrad zuletzt auf 150 Prozent. Auch der Umweltdachverband appellierte am Montag "dringend" an die Koalitionsspitzen, dem Verbund das Geld nicht "in den Rachen zu werfen" .

Es spießt sich aber auch bei der ebenfalls im Juli verschobenen Reform des Finanzstrafgesetzes. Pröll hatte einen Entwurf für eine Gesetzesänderung präsentiert, der schärfere Strafen bei Steuerbetrug und anderen Finanzdelikten vorsieht. Kurz darauf legte SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer einen Entwurf über stärkere Kontrollen bei Sozialbetrug vor. Ob es zur Einigung im Ministerrat kommt, war Montag Abend fraglich. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.8.2010)