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Brav an der Leine gehen, Befehle ausführen und sich nicht gleich mit anderen Hunden anlegen - auch viele verhaltensgestörte und aggressive Hunde können wieder resozialisiert werden.

Foto: APA/Robert Jäger

Wien - "Wir haben derzeit vier, fünf Hardcore-Fälle" , sagt Alexander Willer. Der Sprecher des Tierschutzhauses in Vösendorf meint damit Hunde, die höchstwahrscheinlich nicht mehr so weit therapiert werden können, dass man sie an neue Besitzer vergeben kann. Seit zwei Jahren gibt es im Tierschutzhaus ein Resozialisierungstraining für Problemhunde, das meist mehrere Monate dauert. In den meisten Fällen, so Willer, können die Hunde wieder vergeben werden.

Image von Kampfhunden hat sich weiter verschlechtert

Alle 360 Hundeplätze sind derzeit belegt. Der Anteil an Kampfhunden ist seit der Ankündigung des verpflichtenden Hundeführscheins kontinuierlich gestiegen. "Früher machten die betreffenden Rassen ein Drittel unserer Hunde aus, mittlerweile ist es die Hälfte" , schildert Willer, "das Image dieser Hunde ist schon seit Jahren schlecht, nun ist es noch schlechter geworden" . Insgesamt 13 Hunderassen stehen in Wien auf der Kampfhundeliste - darunter Rottweiler, Pitbull-Terrier oder Dogo Argentino. Seit 1. Juli müssen ihrre Besitzer einen verpflichtenden Hundeführschein machen. 699 Hundehalter haben laut Veterinäramt der Stadt Wien die Prüfung bereits absolviert, 135 weitere sind angemeldet.

Viele Besitzer geben den Hund mit der Ausrede ab, er sei ihnen zugelaufen. In jüngster Zeit kam es auch vor, dass in Wiener Parks ganze Pitbull-Würfe ausgesetzt wurden, "wobei die Welpen ja meist schnell vergeben werden können" , sagt Willer. Schwierig werde es bei ausgewachsenen Tieren, die oft über Jahre falsch gehalten worden sind.

Selbstverstümmelung

So wie jener Pitbull, dessen Besitzerin ihn im Keller eingesperrt und nur das Futter reingeworfen hatte. Der Hund reagierte mit Selbstverstümmelung und musste mehrmals operiert werden, weil er sich immer wieder den Schwanz blutiggebissen hatte. Durch das Verhaltenstraining konnte der Pitbull jedoch so weit stabilisiert werden, dass ein neuer, erfahrener Besitzer gefunden wurde, der auch bereits den Hundeführschein mit dem Tier abgelegt hat.

Bei einem Problemhund schauen die Trainer in Vösendorf zunächst, welche Umweltreize das Tier kennt, wie es auf Menschen, andere Hunde und auf Handzeichen reagiert - um es dann allmählich wieder an Alltagssituationen zu gewöhnen. Wird ein Hund vergeben, bietet das Tierschutzhaus sogar Hausbesuche von Tiertrainern an, falls der Hund in der Wohnung die Ecken markiert oder das Wohnzimmersofa zerfetzt.

Oft unheilbare Schäden

Hunde, die während der ersten zehn Lebenswochen nicht ausreichend spielen konnten und nur wenig Reizen ausgesetzt waren, tragen meist unheilbare Schäden davon, erklärt die Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen von der Uni Kiel. Tiere, die zwar mit bestimmten Stresssituationen nicht gut umgehen können, "kann man wieder gut bei neuen Besitzern eingewöhnen, wenn sich dort die angstauslösenden Situationen vermeiden lassen" .

In der Wiener Tierschutzombudsstelle wird das Resozialisierungsprogramm derzeit gerade mit Experten standardisiert und wissenschaftlich untermauert. Im kommenden Frühjahr soll es starten. "Es wird einen mehrstufigen Ablauf geben" , sagt Tierschutzombudsmann Hermann Gsandtner. Nach der Anamnese des Hundes soll im Fall erhöhter Aggressivität die genaue Ursache ermittelt werden. Gsandtner: "Die Gründe können von Traumatisierung über fehlende Sozialisation bis zu pathologischen Veränderungen reichen." Auch die Einschulung der neuen Besitzer soll Teil des Verfahrens sein. "Natürlich wird man einen Hund, der bereits ein Kind gebissen hat, nicht in eine Familie mit kleinen Kinder geben" , sagt Gsandtner. (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD-Printausgabe, 24.08.2010)