Der Eingriff soll damit leichter und für den Patienten sicherer werden.

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In Österreich werden jedes Jahr etwa 25 Milliarden Euro in Gesundheit investiert. Die Frage nach der Leistbarkeit des Systems wird neben den Aspekten der Personalkosten und Verwaltung auch anhand des zunehmenden medizinischen Fortschritts, der immer teurer wird, diskutiert.

Die Politik will Innovationen fördern, die Wirtschaft möglichst viele entwickeln und produzieren, und Patienten wollen nur mit dem Neuesten und Besten behandelt werden. Freilich, in den meisten Fällen sind hohe Investitionen in Innovationen auf lange Sicht kostendämpfend, weil bessere Produkte einen schnelleren Erfolg und dadurch weniger volkswirtschaftliche Belastungen nach sich ziehen.

Boom bei Medizintechnik

Doch neu heißt noch nicht sofort innovativ. Oftmals sind medizinische Neuheiten nichts anderes als aufgemotzte alte Hüte, die - beispielsweise in der Pharmaindustrie - lediglich mit anderen Zusatzstoffen oder in anderer Dosierung auf den Markt kommen.

Im Bereich der Medizintechnik sieht es etwas anders aus, hier sind Innovationen schneller und leichter als solche zu erkennen. Und der Mark boomt: Allein der in Wien erwirtschaftete Umsatz mit nichtpharmazeutischen Medizinprodukten und Medizintechnik beläuft sich im Jahr auf etwa 1,8 Milliarden Euro, Tendenz steigend.

Schon ab kommendem Herbst soll es eine weitere Innovation aus der Bundeshauptstadt geben. Die Carl Reiner GmbH stellt bereits seit 1912 chirurgische Instrumente her. Mit der Sparte Laryngoskope ist das Unternehmen am Sprung vom heimischen in den internationalen Markt. Laryngoskope sind Werkzeuge, die in den Mund-Rachen-Raum des Patienten eingeführt, dem Chirurgen den operativen Weg zum Kehlkopf und in den oberen Luftröhrenbereich ebnen: Ein anatomisch geformtes Rohrstück wird durch den Mund eingeführt, und die Operationswerkzeuge werden hindurchgeschoben.

Bis heute muss dem Patienten dabei meistens auch zusätzlich ein Tubus in die Luftröhre gelegt werden, über den er beatmet wird - der eingeschobene Luftschlauch wird am Beginn der Luftröhre aufgeblasen, damit wird diese abgedichtet, wodurch die Beatmungsluft in die Lunge gelangt und nicht danebengeht. Der Schlauch, gemeinsam mit dem eingeführten Laryngoskop, nimmt dem Operateur jedoch viel Platz weg und behindert den chirurgischen Eingriff. Mitunter stellt der Luftschlauch sogar ein Risiko dar, dann nämlich, wenn er brennbar ist und der Operateur mit einem Laser arbeitet. Doch dies alles soll bald der Vergangenheit angehören.

Luftschlauch überflüssig

Als einziger Anbieter am Markt hat die Wiener Firma Carl Reiner eine Jet-Beatmung in das Laryngoskop integriert, die einen weiteren Luftschlauch überflüssig macht: In das Werkzeug sind Düsen integriert, die die Beatmungsluft in hohem Druck stoßweise in die Luftröhre "schießen", Sensoren messen den Druck und sorgen so für eine vom Anästhesisten überwachbare regelmäßige Beatmung. Steigende Anforderungen an Hygiene und Haltbarkeit erfordern jedoch eine komplexe Umstellung des Werkstoffes: "Entwickelt und gefertigt wird das Gerät bisher aus Messing, die Oberfläche haben wir mit Nickel überzogen", erklärt Dominik Lirsch, Prokurist des Medizintechnikherstellers, "jetzt stellen wir die gesamte Fertigung auf chirurgischen Edelstahl um." Was freilich eine Herausforderung darstellt, denn dazu müssen die gesamten Produktionsmaschinen ebenfalls verändert werden - dazu bedarf es des Know-hows aus der Technik.

Unterstützt vom Institut für Umformtechnik der Technischen Universität (TU) Wien wurde nun das dafür am besten geeignete und wirtschaftlichste Fertigungsverfahren identifiziert, vermittelt vom Wiener Zentrum für Innovation und Technologie (ZIT) und finanziert durch den Innovationsscheck der FFG, der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (siehe auch Wissen-Kasten unten, Anm.). "Kleine Firmen überblicken oft die Förderlandschaft nicht und haben kaum Zeit, einen Forschungspartner zu suchen", sagt Lirsch.

Neuland betreten

Mit Medizintechnik hatte das Umformungstechnikteam der Technischen Universität zwar noch nicht zu tun, mit Verfahrensumstellungen wegen neuer Werkstoffe aber schon. Rasch waren die Vorgaben fixiert: ein geformtes Bauteil ohne Schweißnaht aus Chirurgenstahl zu akzeptablen Kosten auch bei geringer Stückzahl. "Insofern eine Herausforderung, weil Umformtechnik sonst auf große Mengen ausgelegt ist, bei denen sich auch immense Anschaffungskosten rechnen", erklärt Lirsch: "Wir stellen im Jahr nur einige hundert Stück in zehn verschiedenen Größen her. Da ist eine industrielle Fertigung unmöglich"

Das Team der TU identifizierte zunächst sieben technisch mögliche Verfahren mitsamt der anfallenden Arbeitsschritte, Werkzeuge und Kosten und simulierte die Prozesse am Computer. Nach dem Ausschlussprinzip blieb schließlich ein traditionelles Verfahren - das Metalldrücken - übrig. Schnell wurden - ebenfalls in Wien - Lieferanten und Hersteller gefunden, die ersten aus chirurgischem Edelstahl hergestellten Laryngoskope mit eingebauter Jet-Beatmung "sollen schon diesen Herbst auf den Markt kommen", freut sich Lirsch - und dem Chirurgen mehr Freiraum bieten und letztendlich das Risiko für den den Patienten minimieren. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 25.08.2010)

=> Wissen: Innovation via Scheck

Wissen: Innovation via Scheck

Der Innovationsscheck ist ein Förderungsprogramm für Klein- und Mittelunternehmen mit dem Ziel, ihnen den Einstieg in eine kontinuierliche Forschungs- und Innovationstätigkeit zu ermöglichen. Mit dem Innovationsscheck können sich KMUs an Forschungseinrichtungen wenden und je nach Bedarf deren Leistungen bis zu einer Höhe von 5000 Euro bezahlen. Sie sollen damit die Hemmschwellen zu Kooperationen mit Forschungseinrichtungen überwinden.

Seit dem Start der Initiative im Oktober 2007 wurden 3266 Schecks ausgestellt. Im ersten Halbjahr 2010 wurden 502 Schecks ausgestellt (gegenüber 459 im 1. Halbjahr 2009). Monatlich werden rund 100 neue Anträge gestellt. Anfragen kamen auch schon aus dem Ausland. Anlässlich des "Drei-Jahres-Jubiläums" im Oktober 2010 wird eine Evaluierung durchgeführt, anhand der über die Fortführung der Initiative entschieden wird. Das Programm wird über die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG im Auftrag des Verkehrsministeriums und des Wirtschaftsministeriums abgewickelt. (max)