Eine bisher ausgesprochen menschliche Ausdrucksform soll nun auch für virtuelle Avatare erlernbar werden. Warum und wie Computer das Tanzen lernen und welche "ernsthaften" Anwendungen solche spielerischen Ansätze bringen können, wurde heute, Mittwoch, beim Fachhochschulforum im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach diskutiert, bei dem das Thema "Serious Gaming" einen der Schwerpunkte bildete.

"Jeder Tanz ist unterschiedlich und hat mit Emotion zu tun. Genau das vermisst man bei Robotern. Bevor man sie in Pflegeheimen oder Kindergärten einsetzt, müssen sie sozialer werden", erklärte Robert Praxmarer, Fachbereichsleiter Augmented Reality & Game an der Fachhochschule (FH) Salzburg, gegenüber der APA sein in Alpbach präsentiertes Projekt.

"Kinect"

Was sich wie ein "verrücktes Spaßprojekt" anhört, hat das Ziel, eine Datenbank mit einer Unzahl von menschlichen Bewegungen aufzubauen. Mit Hilfe einer speziellen Kamera, die durch integrierte 3D-Sensoren räumliche Tiefen erfassen kann - ähnlich der Bewegungs-Steuerung "Kinect", die Microsoft im November für die Spielkonsole Xbox 360 auf den Markt bringen will - werden die Bewegungen von menschlichen Tänzern aufgenommen.

Diese Daten könnten einmal helfen, künstliche 3D-Charaktere zu simulieren. Die erfassten Bewegungsmuster sollen laut dem Projektleiter "wie in einem Wörterbuch gesammelt werden und können nach Belieben neu arrangiert werden". Interessant könnte das etwa für die Film- und Spezialeffekte-Industrie werden. "Durch die Automatisierung bei Animationen kann man Geld sparen, man muss nicht Hunderte Animateure beschäftigen", so Praxmarer, der in diesem Zusammenhang eher von "Game with a Purpose" als "Serious Gaming" sprechen würde.

Im Zentrum des "Serious Gaming", des ernsthaften digitalen Spielens, sieht der wissenschaftliche Leiter des Ars Electronica Futurelab, Christopher Lindinger, das Lernen durch Interaktion. "Interaktion ist einer der Hauptaspekte wie wir lernen. Das ist der Vorteil bei digitalen Technologien: Man kann ein Stück Information drehen und wenden und wieder in die reale Welt einbauen."

"Stand der Dinge ist, dass es eine Diskrepanz zwischen der Lern- und Freizeitwelt der Jugendlichen gibt."

Ob Lernspiele via Smartphones oder Laptops, in den Schulen sei diese Art der Vermittlung von Lerninhalten noch zu wenig angekommen, meint Lindinger. "Stand der Dinge ist, dass es eine Diskrepanz zwischen der Lern- und Freizeitwelt der Jugendlichen gibt. Der politische Wille, den Digital Divide wegzubringen, ist vorhanden, aber es ist keine breite Strategie erkennbar. Häufig bleibt es bei Einzelinitiativen von Lehrern, die aber oft als Rohrkrepierer enden, weil die Schüler den Lehrern beim Know-how überlegen sind."

Problematisch ist für Lindinger, dass "die ganze Generation von morgen auf das Leben mit den Methoden von gestern vorbereitet wird. Das Schulwesen verharrt mathematisch gesehen in einer stabilen Senke." Eine umso wichtigere Rolle würden daher außerschulische Bildungseinrichtungen wie Museen einnehmen. Eigentlich bedeute Lernen mit Games, andere Formen als die klassischen Mechanismen zu finden. "Man soll Begeisterung für etwas schaffen, das die Kinder und Jugendlichen dann zu Hause weiterführen können."

Insgesamt sei Österreich bei der Vermittlung digitaler Technologien dennoch an der internationalen Spitze anzutreffen, vor allem aufgrund seines diversifizierten Nischensystems. "Wenn man sich in Deutschland allein das Ruhrgebiet ansieht, gibt es dort zwar gleich mehrere Medien-Fachhochschulen, doch sie unterrichten im wesentlichen alle das Gleiche", so Lindinger, der auch als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten in Deutschland und England und als Gastprofessor an der Universität für Kunst und industrielle Gestaltung in Linz tätig ist.

Ein gutes Beispiel für einen innovativen Ansatz sei das neue Lehramtsstudium "Mediengestaltung" an der Kunstuni Linz, das Lehramtsstudenten seit dem Wintersemester 2009/10 als Zweitfach belegen können. "Die Einführung dieses Studiums war ein relativ visionärer Schritt und ist es das einzige seiner Art in Österreich", so Lindinger. "Die Lehrer machen dann mit den Schülern Kleingruppenprojekte quasi wie Feldstudien bei uns im Museum (Ars Electronica Center; Anm.). Dieses Konzept ist europaweit einzigartig." (APA)